Dienstag, 31. Juli 2007

Die BVG, dein Freund und Lehrer

Ach ja, die BVG. Immer für einen Scherz gut...
Neu ist aber, dass sie sich offenbar der sprachlichen Bildung der "Fahrgäste" verpflichtet fühlt, und ihnen komplizierte zusammengesetzte deutsche Begriffe, wie etwa "mutwillige Zerstörung", durch klar verständliche und formschöne Fremdworte nahebringt.

Montag, 30. Juli 2007

"DER FEIND STEHT LINKS..."

"... Wie ihr vielleicht wißt, liebe Freunde, die ihr ja außer der LSD hier und da auch noch andere Sachen lest, gab es in Berkeley, Seattle, New York kleine Revolutionen und die in Berkeley, die im Bombenlegen, Fenstereinschmeißen, Wandbeschmieren bestand, habe ich aus nächster Nähe aus einem VW-Bus beobachtet und dabei selbst fast eine aufs Haupt bekommen. Also das genügte mir, und vor meinen zwei Klassen begann ich mit der Kritik. Erstens, indem ich auseinanderlegte, wie ein wirklicher Anarchist vorgehen würde. Auf einer Karte erklärte ich genau die Lage von Schaltwerken, gab auch an, wie man sie sprengen könnte (schließlich war ich im Krieg nicht umsonst Pionier), dann die Lage von Wasserwerken etc. etc. Zweitens taktische Bemerkungen, Ideologie etc. etc., sodaß sich ergab, wie dieses Unternehmen, von allen Gesichtspunkten aus betrachtet ungenügend, idiotisch, infantil sei. Der Feind ist links - und das nächstemal beginnt die Diskussion unter Teilnahme von SDS Bonzen."
(Paul Feyerabend, Brief an Hans Albert, Februar 1970, zitiert nach Paul Feyerabend, Hans Albert: Briefwechsel, hg. von Wilhelm Baum, Frankfurt am Main 1997, S. 164 f.)

LSD: "Logic of Scientific Discovery" von Karl Popper, deutscher Titel: "Logik der Forschung".
SDS: Students for a Democratic Society.

Dienstag, 24. Juli 2007

Wer ist der coolste Windhund seit Marx? - 2. Runde

Vor einer Weile hatte das internationale Publikum dieses Blogs die Gelegenheit, den ultimativen Fight zwischen zwei Pop-Heroen der linken Gesellschaftskritik auf basisdemokratischem Wege endgültig zu entscheiden. Damals ließ das verbindlich in alle Schulbücher aufzunehmende Ergebnis an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Lenin ist viel cooler als, nomen est omen, Erich Fromm.

Trotz dieses großen Triumphes der historischen Wahrheit über die Propagandalügen revisionistischer Geschichtsverfälscher wurden doch auch gewisse Mängel des Verfahrens offenkundig: Die Wahlbeteiligung (nur einer von 6,7 Milliarden Wahlberechtigten nutzte sein Stimmrecht) erlaubt es leider nicht, gewisse Zweifel an der Repräsentativität des Abstimmungsergebnisses restlos auszuräumen. Daher habe ich für die zweite Runde ein Verfahren gewählt, das mehr dem pragmatischen Geiste des Demokratischen Zentralismus entspricht, dem sich unser "Blog neuen Typs" seit eh und je verpflichtet fühlt: Ich habe die Entscheidung einem Experten überlassen, und die Weltöffentlichkeit hat nunmehr die Möglichkeit, das Resultat zur Kenntnis zu nehmen und zu verinnerlichen.

Bei dem Experten handelt es sich um Hans Albert, der die Quintessenz seiner Forschungen auch im aktuellen "Zitat der Woche" bündig zum Ausdruck bringen durfte. Ich bin sicher, er würde es billigen (hab natürlich nicht gefragt), dass wir folgendes dreißig Jahre altes, aber noch immer aktuelles Statement von ihm verwenden (es stammt aus einem Brief an Paul Feyerabend vom 16. November 1968). (Zwar hat Herr Habermas seine theoretische Position seither beinahe so oft gewechselt wie seine Hemden; wieviel von der Albertschen Kritik durch diese permanente erratische Kurswechselei in immer seichtere, konformistischere Gewässer hinein überholt sein mag, ist eine ganz andere Frage!)

"Was Habermas angeht [...] ist sein neues Buch über Erkenntnis und Interesse eine ziemliche Zumutung. Er läßt einen da an seinem ganzen Verdauungsprozeß teilnehmen, kommentiert in einem fort irgendwelche Philosophen in sehr weitschweifiger Weise, ohne daß viel Neues dabei herauskommt, wird sofort in höchstem Maße unklar, wenn er mal etwas Eigenes zu den Problemen beizutragen versucht. Eine seiner wesentlichsten Strategien hat er beibehalten: Unterscheidungen ohne Unterschied einzuführen, damit er seine Positition auf jeden Fall durchhalten kann. Bei solchem Wortschwindel kann man ihn in einem fort ertapppen. Fast immer macht er eine referierte Auffassung durch seine Umdeutungen schlechter. [...] Etwas wesentlich Neues habe ich in diemem wortreichen, weitschweifigen, unklaren und prätentiösen Buch nicht entdecken können. [...] Ein schönes Angriffsziel an sich, wenn es nicht so mühsam wäre, den Kern des Gedankenmusters herauszuschälen. - Im übrigen finde ich tatsächlich Lenins 'Materialismus und Empiriokritizismus' - was ich auch gerade gelesen habe - besser (und zwar dem Inhalt nach und als Lektüre!). Während Lenin den Idealismus (auch den positivistischen) aufs Korn nimmt und sehr schön zersäbelt, versuchten Apel, Habermas und ihre Anhänger ihn wieder - und zwar indem sie sich in der Maske des Anti-Positivismus präsentieren, wobei das Angriffsziel de facto der Realismus ist - zu installieren: hermeneutischer Idealismus als Fortsetzung der Theologie, um den Bereich des Geistes gegen die Konsequenzen der Darwinschen und anderer Entdeckungen abzuschirmen... [...] Also komm mir nicht mit der Habermas-Produktion; dann schon lieber Lenin und Marx..."
(Zitiert nach: Paul Feyerabend, Hans Albert: Briefwechsel, hg. von Wilhelm Baum, Frankfurt am Main 1997, S. 89 f.)












Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung: Welcher Guru ist auf stylischere Weise verherrlicht worden?

Dieser Post kann Euch ca. 20.000 Seiten unnützer, qualvoller Lektüre ersparen!

"Habermas: schlimm, ganz schlimm"
Hans Albert, Brief an Paul Feyerabend vom 27. Oktober 1969

(Mehr zum Thema finden Sie hier.)

Montag, 23. Juli 2007

Die Schönheit der organischen Natur

Boärgs. Also langsam sollte ich mir Gedanken machen, ob meine Haushaltsführungsunfähigkeit nicht bedenkliche Ausmaße annimmt... - Aber stand der Grünkern da wirklich schon so lange?

Ewiger Abschied

Beate Uhse ist ein seriöses Unternehmen. Abgesehen davon, welche Vorstellungen man dort von einem sexy Décolleté und, ähm, "erotischen" "Gesichtern" hat (das kann man so ja fast nicht schreiben, sind das überhaupt Gesichter??), merkt man das vor allem daran, dass jeder neue Katalog mit tollen Gewinnspielen und "Gratis-Überraschungen" oder "Gratis Super-Sex-Überraschungen" oder auch "einer spannenden erotischen Überrraschung extra" wirbt. Das ganze entpuppt sich dann natürlich als irgendein trashiger Nepp. Die versprochenen "9 Gratis-DVD's" zum Beispiel sind bei näherem Hinsehen nur eine DVD mit Zusammenschnitten aus 9 verschiedenen Filmen. Der aktuelle Katalog kam mit der verlockenden Aufforderung: "Ergreifen Sie jetzt mit ihrem Schlüssel die letzte Chance auf ein Traumhaus im Wert von € 60.000.-*?" Das klingt ja schon ein wenig seltsam - ein TRAUMHAUS für 60.000 €?? Und Sternchen machen ja sowieso sofort misstrauisch! Das "Traumhaus" ist dann auch nur eine Ferienwohnung, aber immerhin "auf einer tropischen Insel" und mit "Whirlpool und Schwimmbad".

Vor circa eineinhalb Jahren nahm meine Fernbeziehung zu Beate Uhse († 16. Juli 2001) eine dramatische Wendung, als ich den aktuellen Katalog mit einer mich in großen Schrecken versetzenden Warnung vorne drauf zugeschickt bekam: "WARNUNG: Wenn Sie nicht reagieren, ist dies ihr letzter Katalog, und wir nehmen ABSCHIED voneinander." Ahhhrrrggg, ABSCHIED, wie schrecklich!! Innen wurde ich informiert, ich hätte schon sehr lange nichts mehr bestellt und wenn ich auch diesmal nichts bestellen würde, wäre es leider nicht möglich, mir weiterhin den wertvollen Katalog zuzuschicken, sie würden das sehr bedauern und mich gerne als Kundin halten und deswegen gäbe es auch extra gratis, wenn ich innerhalb von zwei Tagen antworten würde... oder so ähnlich.
Zu meiner großen Erleichterung entpuppte sich das jedoch bald als leere Drohung. Der nächste Katalog kam, und seither hat einfach jeder Katalog dieses gelb-rote Warnschild außen dran.

Ich habe mich ja immer gewundert, wieso Beate Uhse (und das gilt für ORION gleichermaßen) es nötig hat, seine Kunden mit derartigen durchschaubaren Super-Gratis-Gewinn-Tricks zu locken,

die man sonst von irgendwelchen Lotteriegesellschaften kennt, die dem als absolut dämlich vorgestellten Kunden den Gewinn als speziell für ihn reserviert suggerieren sollen.

Aber sollte Sex nicht von selbst sellen? Ich verstehe das nicht...

Dienstag, 10. Juli 2007

Die BILD - Luthers Vermächtnis?

Heute habe ich mich mal wieder auf die Straße getraut, was ich aus wohlerwogenen Gründen normalerweise vermeide, und naserümpfend festgestellt: Die beliebte Werbekampagne "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht" der noch beliebteren sog. BILD-Zeitung ist wieder da.

Schon vor einigen Monaten warb obengenannte Publikation unter diesem Slogan mit den Portraits von Menschen wie Einstein, Galilei, Gandhi, oder Martin Luther King. (Auch an ein Plakat mit Freud meine ich mich zu erinnern, kann das aber momentan nicht verifizieren.) Ich hielt das für Realsatire at its best und fand es überflüssig, das noch zu kommentieren. Dass die abgebildeten Berühmtheiten der beworbenen Gazette geistig, moralisch und politisch denkbar fernstanden, bedarf keiner gesonderten Erwähnung, sondern macht gerade die Pointe der Kampagne aus. Insofern hält sich das aufklärerische Potential von Satiren der Satire - die Käpt'n Blaubär, Goebbels oder meinetwegen auch Dutschke und Walraff in die Plakate einsetzen - meines Erachtens in engen Grenzen. Der Subtext lautet doch gerade: Die sind tot und können sich nicht mehr wehren; unsere Millionenleserschaft andererseits ist tatsächlich so dumm und ungebildet, dass sie sich nicht verhöhnt fühlt, wie sie ja eigentlich müsste. Der Witz besteht gerade darin, dass die BILD, indem sie sich das Renommee dieser Menschen einfach symbolisch aneignet, beweist: Es kommt gar nicht auf die "Wahrheit" an, und ihr könnt sie solange "sagen", wie ihr wollt - es wird euch nichts nützen, denn nicht Wahrheit, sondern Macht setzt Recht. Von der moralischen und aufklärerischen Leistung der Abgebildeten ist nichts geblieben als ein bisschen symbolisches Kapital, das jedem gehört, der in der Lage ist, es einzusetzen, gleich zu welchem Zweck.

Bald darauf begann die zweite Runde. Statt Realsatire gab es nunmehr absurden Humor mit Tendenz zur Antiwerbung. Vom einen Tag auf den anderen wurden Konterfeis der mutigen Männer ersetzt durch brillante und wahrhaft BILDeske aperçus wie "Ja, mein Busen ist gemacht", "Mutti, du kannst nicht kochen" oder "Schatz, ich habe dich betrogen".

Dann war, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, eine ganze Weile lang Ruhe - bis heute. Und was sehen meine verwunderten Augen? Es gibt wieder Prominente, aber diesmal der Exegese bedürftige. So wirbt die BILD neuerdings mit Luther und dem berühmten Photo von Kohl und Mitterand beim Händchenhalten in Verdun. Nun fragt man sich natürlich, welche "Wahrheit" die beiden "Mutigen" dort ausgesprochen haben könnten. Oder will BILD mehr auf die moralische Lehre hinweisen, die aus dieser Episode zu ziehen ist - etwas in der Art von: "Franzosen und Deutsche können doch Freunde sein! Oder jedenfalls Franzosen und Rheinländer"? Oder womöglich: "Weltkrieg ist nicht schön, aber vor allem muss man sich nachher wieder vertragen"?

Nun aber Herr Luther... Welche der zahlreichen von ihm markant formulierten Wahrheiten könnte gemeint sein? Vielleicht: "Darumb auch ungehorsam grosser sund ist dan totschlag, unkeuschheit, stelen, betriegen" (Von den guten Werken, 1520)? Oder eher: "Der esel will schlege haben, und der pofel will mit gewalt regirt seyn, das wuste Gott wohl, darumb gab er der oberkeyt nicht eynen fuchsschwantz sondern eyn schwerd ynn die hand" (Ein Sendbrief von dem harten Büchlein gegen die Bauern, 1525)? Vermutlich doch eher der ähnlich gelagerte Bauernkriegs-Klassiker: "Drumb soll hie zuschmeyssen, wurgen und stechen heymlich odder offentlich, wer da kan, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teufflischers seyn kan, denn eyn auffrurischer mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund totschlagen muss." (Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)
Ziemlich sicher nicht gemeint sind dagegen Luthers Erkenntnisse aus seinen beliebten Schriften "Von den Juden und ihren Lügen" und "Vom Schem Hamphoras". (Eine interessante Zitatensammlung zum Thema "Luthers Antisemitismus" findet sich hier. Es handelt sich um eine Seite von kirchenfeindlich gesonnenen christlichen Eiferern.)

Donnerstag, 5. Juli 2007

Mittwoch, 4. Juli 2007

The bill, please! - äh - Zahlen, bitte.

"'Zahlen' im Kopf haben. Das heißt, man muß die quantitative Seite einer Situation oder eines Problems beachten, muß eine grundlegende quantitative Analyse vornehmen. Jede Qualität drückt sich in einer bestimmten Quantität aus, ohne Quantität gibt es keine Qualität. Viele unserer Genossen verstehen bis jetzt noch immer nicht, die quantitative Seite der Dinge zu beachten, nämlich die grundlegenden Statistiken, die wichtigsten Prozentanteile und die quantitativen Grenzen, welche die Qualität der Dinge bestimmen; für nichts haben sie 'Zahlen' im Kopf und machen infolgedessen unvermeidlich Fehler."

Folgen wir dem Großen Vorsitzenden und beleuchten wir die quantitative Seite, in diesem Fall des Denglishen, denn darum geht es ja schließlich.
Damit sind wir allerdings schnell fertig, denn Zahlen gibt es eigentlich kaum welche.

Erstens weiß man gar nicht genau, was ein Fremdwort eigentlich ist. Es gibt zwar einige Kriterien (Schreibweise, Wortbestandteile, Aussprache, seltener Gebrauch), aber die sind unzuverlässig. Zur Häufigkeit von Fremdworten weiß der Duden folgendes zu sagen:
In fortlaufenden Zeitungstexten liege der Fremdwortanteil bei 8–9%. Zählt man nur die Substantive, Adjektive und Verben, liegt er bei 16–17%. Wie viele Fremdwörter es im Deutschen insgesamt gibt, weiß man nicht, was kein Wunder ist, weil man auch nicht weiß, wieviele deutsche Wörter es im Deutschen gibt. "Veranschlagt man das gesamte deutsche Vokabular auf etwa 300.000 bis 500.000 Wörter, so dürfte der absolute Fremdwortanteil bei schätzungsweise 100.000 Wörtern liegen. Der mit rund 2800 Wörtern aufgestellte deutsche Grundwortschatz enthält etwa 6% fremde Wörter." Die Verwendungshäufigkeit von Fremdwörtern ist aber weniger hoch als die der echten deutschen Originalwörter. Bezüglich Anglizismen ist nur soviel bekannt: "Der Anteil beispielsweise von englischen Fremdwörtern an der Gesamtheit aller verwendeten Wörter lag selbst bei Untersuchung fremdwortintensiver, nämlich werbesprachlicher Textsorten lediglich bei 4%."

Puh. Bei dieser traurigen Zahlenlage braucht man sich ja nicht zu wundern, wenn selbsternannte Sprachschützer und -putzer unvermeidlich Fehler machen. Und im übrigen lässt dies nur eine einzige Schlussfolgerung zu, nämlich die: Die deutsche Sprache ist noch immer viel zu deutsch. Da gäbe es noch einiges zu tun, auch für mich, wie ich gleich zugebe, bevor sich jemand beschwert.





"'Weniger Truppen, aber bessere, und eine einfachere Verwaltung'. Reden, Vorträge, Artikel und Resolutionen sollen einfach und klar sein und den Kern der Sache treffen. Man soll auch nicht zu lange Sitzungen abhalten."

Da hat er mal wieder Recht und mir wird das hier jetzt auch zu lang. Also beschließe ich den post mit einer klaren message, die alles sagt was nötig ist, und übergebe im übrigen an die Fachleute und Experten.

Männlichkeit authentisch leben lernen

Eigentlich ist heute ja der 1. Internationale Day des Denglish, ein Anlass, der mit einem thematisch passenden post zu würdigen wäre. Ich muss jetzt aber über etwas ganz anderes schreiben - etwas ausgesprochen Beunruhigendes. Es wird immer offensichtlicher, dass das Raumzeitkontinuum gestört ist und immer mehr Löcher aufweist. Die Gegenwart des beginnenden 21. Jahrhunderts wird in stets zunehmendem Maße infiltriert von hässlichen und übelriechenden Teilen der Vergangenheit.

Schon seit einigen Jahrzehnten bemerken wir dieses bedrohliche Phänomen in der Ökonomie. Unter dem euphemistischen Namen "Neoklassik" feiern gewisse Theorien ein zombieskes revival, über die schon Karl Marx Hohn und Spott ausschüttete, weil sie die Realität gar zu plump zugunsten einer offensichtlich von materiellen und politischen Interessen bestimmten Ideologie verdrehten.

In anderen Bereichen scheint ein immer größer werdendes Zeitloch in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu führen, eine Periode, die schon in ihrer ersten Auflage eine an die damalige Gegenwart nur geringfügig angepasste Kreuzung aus Biedermeier und Viktorianismus darstellte. Vor kurzem ist ein besonder frappierendes Dokument aus dem Zeitloch geplumpst. Der geneigte Leser und die geneigte Leserin schaue sich doch bitte einmal diese Meldung über die immense Wichtigkeit des "Vaters" an und lese sie aufmerksam und gründlich durch. Die folgenden Zitate stammen von dort.

"Männer sind für Jungs wichtig, damit sie lernen, ihre männliche Rolle in der Gesellschaft authentisch zu leben", erklärt Prof. Hartmut Kasten vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München.

Muss man dazu noch etwas sagen? Kann man dazu überhaupt noch etwas sagen? "Männliche Rolle in der Gesellschaft"??? Nehmen wir einmal zur Kenntnis, dass es sowas überhaupt noch gibt. Wie in drei Teufelsnamen käme aber ein vernünftiger Mensch auf die Idee, dass ein wichtiges Ziel der Kindererziehung darin bestehen könnte, Jungen in die Lage zu versetzen, diese "männliche Rolle" "authentisch zu leben"? Und wieso fühlt sich ein "Staatsinstitut für Frühpädagogik" berufen, so etwas zu propagieren, obwohl derartige sexistische Ideologien mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Staatsdoktrin der Gleichberechtigung der Geschlechter offensichtlich unvereinbar sind? Wegen derartiger Äußerungen können heutzutage Anträge auf Einbürgerung abgelehnt werden!

Der nächste Absatz beginnt mit den Worten: "Schon Studien aus den dreißiger Jahren hätten gezeigt..." Hier stellte ich mir erstmals ernsthaft die Frage, ob ich vielleicht einer Persiflage auf den Leim gegangen sein könnte. Würde als nächstes auf Studien aus den frühen vierziger Jahren verwiesen werden, die eindeutig beweisen, dass die jüdische Rasse ein charakteristisches Nebeneinander von effeminierten Männern einerseits und Mannsweibern andererseits hervorzubringen prädisponiert ist, weswegen ihre Angehörigen als Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten und Schulen gänzlich ungeeignet seien?

Vaterlose Söhne zeigten mehr Gewalt. Erlebten die Jungs hingegen, dass der Vater auf die von ihnen gezeigten Aggressionen nicht in gleicher Weise, sondern liebevoll reagiert, sind sie gerührt, so Heinsohn. Sie sehen die beschützende Stärke. "Damit ist ein Hauptstück der männlichen Sozialisation geschafft."

Es war eben von Anfang an ein Fehler, uneheliche Kinder mit ehelichen rechtlich gleichzustellen! Jetzt haben wir den Salat: Die Gesellschaft versinkt in Jugendkriminalität, und schuld sind natürlich die 68er und ihre antimoralische Liberalisierung des Scheidungsrechts unter der sozialliberalen Koalition! Die damaligen Warner und Mahner haben Recht behalten mit ihrer Einschätzung, dass diese Kulturrevolution gegen die Grundfesten der Zivilisation gerichtet war! - Friedliche und wohlintegrierte junge Männer erzeugt man nur mit Hilfe eines Vaters, der seinen Sohn liebevoll tätscheln kann, nachdem dieser ein anderes Kind verprügelt hat. Denn dann erwerben die gerührten Jungen ein Verständnis von "beschützender Stärke", im Gegensatz zur beschützenden Schwäche, die sie bei der Mutter erfahren. Das versetzt sie späterhin auch in die Lage einzusehen, warum der Innenminister unbedingt Recht hat, wenn er die Befugnisse des Staates und seiner Sicherheitsorgane auf Kosten demokratischer Grundrechte ausweiten will. Denn nichts geht über ein mehr an beschützender Stärke! Damit wäre dann ein Hauptstück der Sozialisation, die es ja als solche eigentlich gar nicht geben sollte, sondern nur als "männliche" oder "weibliche" Sozialisation, geschafft.

Studien hätten gezeigt, dass Mütter stärker pflegerische, Väter hingegen spielerische Aktivitäten im Umgang mit ihren Kindern entfalten und beide sich in der Art des Spielens unterscheiden, erläutert Prof. Holger Brandes von der Evangelischen Hochschule für Sozialarbeit in Dresden. Mütter spielten sanfter, Väter rauer, und zwar sowohl mit Mädchen als auch mit Jungen. Außerdem sei deutlich geworden, dass Väter häufig herausfordernder sind als Mütter.

Dass dies so ist, beweist natürlich zweifelsfrei, dass es a) auch gut so ist, b) gar nicht anders sein kann, c) auf jeden Fall so bleiben sollte, sowie dass d) auch unbedingt etwas dafür getan werden muss, dass dies so bleibt, weil sonst unvermeidlich das Abendland untergeht. Man sollte z. B. Alleinerziehende in Zwangs-WGs mit Angehörigen des anderen Geschlechts stecken und homosexuelle Paare bloß keine Kinder in die Finger kriegen lassen. Frauen, die Hosen tragen, sollte man darüber aufklären, dass dies nicht nur ihre Gebärfähigkeit beeinträchtigt, sondern auch eine mangelnde Verbundenheit mit ihrer weiblichen Rolle in der Gesellschaft anzeigt. Als überzogen ist jedoch die Forderung anzusehen, behoste Frauen aus dem öffentlichen Dienst auszuschließen, da sie ein gegen den Bestand der Gesellschaft an und für sich gerichtetes Symbol gebrauchen.

Es erscheint mir nur recht und billig, das zuerst angeführte Zitat von Prof. Hartmut Kasten zum Zitat der Woche zu erklären. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kasten! Bitte erklären Sie mir meine männliche Rolle in der Gesellschaft! Keinerlei Sinn hat, wie ich dank Ihnen erkenne, die kantische Frage: "Was soll ich tun?", wenn nicht zuvor das Geschlecht des oder der Fragenden geklärt ist!

Montag, 2. Juli 2007

Captain Gysi vs. Captain Zins - Kampf der Systeme

Auf meiner immerwährenden Suche nach Möglichkeiten, sinnlos Zeit zu verschwenden - eine Mission, die praktischerweise schon im Vollzug automatisch zum Erfolg führt - bin ich neulich auf das einst beliebte Genre der Werbeadventures gestoßen. Das Tolle an Werbung ist ja, dass sie für die Öffentlichkeit umsonst ist, da sie von den dummen Käuferinnen und Käufern der beworbenen Produkte und den sonstigen bescheuerten Kunden der werbenden Unternehmen bezahlt wird. Wenn ihr also demnächst jemanden seht, der z. B. Axe kauft, dann haut ihm eins in die Fresse (Tipp: kräftig!), damit er damit aufhört und uns irgendwann diese üblen, ultrareaktionären Werbekampagnen (aktuell: "Boom Chicka Wah Wah", was übersetzt eigentlich nur "Ich glaub ich muss kotzen" bedeuten kann) mit der Zielgruppe "sexistisches Egoproll-Arschloch mit ernsthaftem Psychoschaden" erpart bleiben. Aber eigentlich wollte ich was ganz anderes erzählen, nämlich über Werbeadventures. Unter diesen gibt es überaus interessante und lustige Titel. Meine persönlichen Favoriten, jedenfalls was großartige Namen angeht, sind eindeutig "Captain Zins" (Dresdener Bank), "Captain Safety" (diverse Versicherungen) sowie "Captain Gysi und das Raumschiff Bonn" (PDS). Ich habe bislang keine Zeit gefunden, selbst diese Perlen der Programmierkunst zu testen. Falls ihr, liebe Leserinnen und Leser, Lust dazu habt, schickt uns doch einfach eure Rezensionen zu diesen oder anderen Werbespielen, wir werden sie dann hier veröffentlichen (falls es uns beliebt). Es gibt natürlich auch einen Preis: ewigen Ruhm. Der Adventure-Treff führt eine umfangreiche Liste von tollen bis tollsten Werbespielen, dort findet ihr auch die genannten Titel.

Sonntag, 1. Juli 2007

Das muss aufhören!

Wenn es schon um die deutsche Sprache geht, wollte ich mal noch ein weiteres wichtiges Thema ansprechen, das ich aus gegebenem Anlass schon einmal erwähnte.
Für die Überleitung hole ich ein bisschen aus:

"Die Lust am Übersetzen ist den Deutschen treu geblieben: Nach der Statistik der Unesco wird in keine andere Sprache so viel übersetzt wie in die deutsche – mehr als ins Spanische und Französische, mehr als doppelt so viel wie i
ns Englische."

Das schreiben die im letzten Beitrag genannten Sprachschützer von der Stiftung Deutscher Sprache ebenfalls auf ihrer Homepage, und GENAU DAS ist das Schlimme an den Deutschen: ihre
Übersetzungsmanie! Ich schmeiß hier jetzt mal bewusst undifferenziert alles in den selben Topf, was zusammengehört, und sage: das Schlimmste am Deutschen ist diese zwanghafte Neurose, alles übersetzen und synchronisieren zu müssen. Wobei ich am mich hauptsächlich interessierenden Punkt angekommen wäre: Dem SYNCHRONISIEREN VON FILMMATERIAL ALLER ART.
(Fast) kein vernünftiges Land dieser Welt hat es nötig, restlos alles - Filme, Serien, Sitcoms, Werbespots - synchronisiert auszustrahlen. (Die Wikipedia bestätigt mich in dieser Vermutung. Außer in Deutschland scheint es nur in Italien noch ganz schlimm zu sein.) Aber im deutschen Fernsehen und sogar Kino kriegt man alles immer nur auf deutsch! Ein Kulturbanausentum sondergleichen! Und sowas schimpft sich Geistes- und Kulturnation oder so ähnlich!
Zum Beispiel in einem kultur- und geschichtslosen Land wie Australien gibt es im Kino französische Werbespots OHNE Untertitel, im Fernsehen läuft "Komissar Rex" im Originalton (obwohl dort wahrscheinlich weitaus weniger Menschen deutsch verstehen als hierzulande englisch). Sogar im Schweizer Fernsehen und Kino wird weniger synchronisiert - obwohl man es dort andererseits fertigbringt, deutsche Werbung mit diesem komischen Dialekt, den man nicht Dialekt nennen darf, nämlich Schwyzerdütsch, nachzuvertonen! (Das ist wirklich schlimm und das will ich keinesfalls gutheißen, aber das gehört jetzt nicht hierher.)

Abb.: Ein seltenes Exemplar einer nicht übersetzten Essanleitung. Ob das auch verstanden wird?

Hiermit plaidiere ich für ein boycott des deutschen Übersetzungs- und Synchronisierungswahns! Wie auch immer das zu bewerkstelligen wäre! Aber NOTWENDIG wäre es jedenfalls!

Denglish!

Ich weise hiermit nur mal auf die großartige, tolle, ganz supertolle Idee des "Internationalen Day des Denglish" hin, eine Initiative, die, soweit ich das verstanden habe, maßgeblich von dem Blog Greasepaint Mustache ausgeht - ein sehr schöner Name anyway.
Dieser Tag, er findet am 4. Juli statt - zum allerersten Mal in der Geschichte der Denglishen Sprache! Hups, das ist ja schon in drei Tagen, also schnell noch ein bisschen Denglish lernen. Anti-Denglish-Seiten gibt es übrigens wie Sand am Meer, der kuriose Verein für deutsche Sprache und die Stiftung deutsche Sprache (gehören die zusammen? letzterer "Startseite" bzw. "Netzauftritt" ist jedenfalls weniger hässlich designt) sind bei weitem nicht allein in ihrem Kampf für den "Erhalt" der deutschen Kultur-Geist-Orgelsprache.

Die sind natürlich ein dankbares Opfer mit ihrem Wettbewerb, für englische Wörter deutsche Entsprechungen zu finden. - Soeben, in diesen Minuten, hat die Jury eine Entsprechung für "Happy Hour" ausgewählt - ähhh - "Blaue Stunde". Ich nehme an, das war Absicht, die Assoziation mit blau...? - Hmm, fast lustig, diese Explizitheit.
Weitere schöne Beispiele finden sich hier, eine Fundgrube des unfreiwilligen Humors. Ach, welch dankbares Opfer!
Ein schönes, fast poetisches Beispiel: "Prallkissen". Sehr vielsagend: "Denkrunde" für "brainstorming". Sie wollen zu "flatrate" "Pauschale" sagen, bitte, wenn sie wollen, dass sie niemand versteht... Auch sehr gut: "Meidezone". Jemand 'ne Idee, was damit gemeint sein könnte?

Bild: Gute Gelegenheit, mal mein Lieblings-T-Shirt zu verwenden (backside says: "Horizont Elektrozaun").