Heute feiern alle Christen die Geburt des Christkindes (außer denen, die die Gregorianische Kalenderreform noch immer nicht anerkennen). Denn schließlich heißt es in Joh. 3, 1-3: "Es begab sich aber am vierundzwanzigsten Tage des Monats Dezember, im Jahr 7 v.Chr., dass in Bethlehem das Christkind geboren ward. Doch der Herr bewirkte in seiner unermesslichen Gnade, dass durch ein Wunder der Hymen der Heiligen Jungfrau Maria beim Geburtsvorgang unversehrt blieb. Die Engelein auf dem Dache schmetterten zu Fanfarenklängen 'Last Christmas' von 'Wham!'."
Für alle, die lieber eine Tasse im Schrank als einen Engel auf dem Dach haben, gibt es heute aber auch noch anderes zu feiern. Zum Beispiel besteht eine Chance von vier zu 1461, dass es ein 24. Dezember war, an dem
Lucretia von einem Sohn des letzten römischen Königs vergewaltigt wurde und sich daraufhin des Leben nahm; laut Überlieferung der Auslöser für den Sturz des Königtums und die Errichtung der römischen Republik. Außerdem wurde Lucretias Verhalten sowohl von heidnischen Römern als auch, Jahrhunderte später, von den Christen als vollkommene Verkörperung der Tugend der Keuschheit gepriesen. Naja. Hätte sie mal lieber den Vergewaltiger umgebracht. Mein Lieblingsbild zu diesem Thema stammt von
Il Sodoma (1513). Hätte Lucretia gewusst, dass sie zweitausend Jahre später SO gemalt werden würde, hätte sie es sich vielleicht nochmal anders überlegt:
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Viel lieber mag ich da eine andere Geschichte, die ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von vier zu 1461 an einem 24. Dezember stattgefunden hat: Beim Diskuswerfen, der antiken Variante von Frisbee, wobei allerdings mit Tonscheiben operiert wurde, da es ja noch kein Plastik gab - beim Diskuswerfen also verursachte kein Geringerer als Apollon den tragischsten Sportunfall aller Zeiten. Um seinen jungen Favoriten, den wunderschönen
Hyazinth, zu beeindrucken, schleuderte er den Diskus mit aller Kraft. Hyazinth, nicht minder bestrebt, Eindruck auf seinen göttlichen Liebhaber zu machen, rannte so schnell er konnte, um die Scheibe zu fangen. Allerdings erwischte eher der Diskus den Jungen als umgekehrt, und Hyacinth war dahin. Der arme Apollon konnte nichts mehr tun, als, bittere Tränen weinend, aus dem Blut des Jünglings eine Blume, die Hyazinthe, wachsen zu lassen.
Kann man sich eine anrührendere Geschichte vorstellen? Ich jedenfalls nicht.
Jean Broc ebenfalls nicht, wie sein wunderbares Ölgemälde von 1801 beweist (welches das Geschehen freilich nicht im Dezember, sondern in eher sommerlicher Umgebung verortet):