Samstag, 19. Januar 2008

Ich gehe nicht gern tanzen (und offensichtlich bin ich der albernen Meinung, das sei von öffentlichem Interesse)

Ich möchte mich an dieser Stelle rechtfertigen. Denn immer wieder (was nicht heißen soll, dass es oft wäre) stoße ich insbesondere bei meinen Freundinnen (was nicht heißen soll, dass ich viele hätte) auf - wenn auch verhaltenes - Unverständnis über meiner Abneigung gegen das Tanzengehen.
"Aber Du weißt doch", so musste ich mir neulich vorhalten lassen, "dass Nietzsche gesagt hat, er könnte nur an einen tanzenden Gott glauben." (Denn natürlich schätze ich ihn, den großen Vordenker des Übermenschentums in seiner individualistischen und philosemitischen Spielart, den Mann, der nur deshalb einen so grotesken Schnauzbart trug, um diese behaarungspolitische Todsünde durch die bewusst überzeichnete Katastrophalität seines Beispiels ein für allemal zu diskreditieren, auf dass wir nie wieder Schnauzbärte sehen müssten - eine äußerst noble Form der Martyriums, zu der nur besonders feine Seelen fähig sind, ungeachtet der Tatsache, dass der kluge Plan - noch - nicht aufging.)
"Das ist schon richtig", sagte ich (natürlich nicht, weil es mir erst später einfallen ist, dass dies die einzig richtige Antwort ist), "das ist schon richtig, aber Nietzsche sagte auch: Wäret ihr Götter, so würdet ihr euch eurer Kleider schämen."
Das will natürlich nicht bedeuten, dass man zwingend nackt zu tanzen habe; obwohl man beim Tanzen durchaus viel häufiger nackt sein sollte, als dies in unserer noch immer total verklemmten Kultur üblich ist. Es will vielmehr besagen, dass es mit dem Tanzen etwas auf sich hat; es liegt etwas Göttliches im Tanzen (wenn ich als eingefleischte Atheistin mal so reden darf), aber wo kann mensch schon göttlich sein, in dieser tristen Welt? Vielleicht allein im Wohnzimmer, aber jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, wo man unvermeidlich von einer Mehrheit dummer und unangenehmer Menschen umgeben ist, mit denen man weder Bett noch Brot teilen möchte.
Bekannter als Nietzsches Worte sind unter Linken jene Emma Goldmans, die - falsch zitiert - sagte: If I can't dance, it's not my revolution. Ich würde eher sagen, dass ich erst da tanzen kann, wo die Revolution schon stattgefunden hat.
Oder, um es zum Ende doch noch auf meine eigenen Worte zu bringen: Ich möchte nicht in der Öffentlichkeit tanzen, aus demselben Grund, aus dem manche Menschen in der Öffentlichkeit keinen Sex haben wollen - es ist mir zu intim, und außerdem sehe ich bestimmt dämlich dabei aus.

10 Kommentare:

DWR - Kollektiv hat gesagt…

Wer hat das Maus-Bild gemalt?

spit_Z hat gesagt…

Na ich natürlich! Wer sonst könnte mein komplexes und widersprüchliches Verhältnis zum Tanzen so treffend und aussagekräftig illustrieren?

DWR - Kollektiv hat gesagt…

Das ist wirklich gut.

empty rooms hat gesagt…

wenn ich tanzen gehe muss ich immer an deichkind ("ich will nackt sein") denken.

k, ich wohne auch in ner kleinstadt, wo der altteutsche spruch gilt: "ist der ruf erst ruiniert..."

Anonym hat gesagt…

also ich hab dich schon tanzen gesehen! ist aber lange her...

spit_Z hat gesagt…

Tja. Dann war meine Gottwerdung damals offenbar noch nicht so weit fortgeschritten wie heute!

T☺bias hat gesagt…

@ spit_Z: Um welche Musik / Tänze handelt es sich denn? Das Spektrum ist ja ziemlich weit. Vielleicht musst Du erst _Deinen_ Tanz finden.

spit_Z hat gesagt…

Von der ZUSÄTZLICHEN Erschwernis der Musikauswahl habe ich ja ganz abgesehen und die Situation so beschrieben - was natürlich utopisch ist - als wäre eine tanzwürdige Klangkulisse gegeben.
Und mein "Tanz"? So eine Art Synthese aus Freistil und impressionistischem Ausdruckstanz, vielleicht. Aber da ich ja de facto nicht tanzen gehe, kann ich nichts Definitives dazu sagen.
- Scheint ja DOCH von öffentlichem Interesse zu sein, das Thema. Wie albern!

DWR - Kollektiv hat gesagt…

Also mich interessiert wirklich nur das Bild.

Anonym hat gesagt…

du sprichst mir aus der seele!
das ist mal ein richtig guter blog eintrag von dir ;-)!