Sonntag, 26. August 2007

Oh, jetzt hab ich die Überschrift vergessen -na, hat wahrscheinlich eh keiner gemerkt.

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Ein Menschheitstraum geht in Erfüllung! Nie wieder das Bett verlassen müssen. Nie wieder aufstehen, nie wieder bewegen, einfach liegenbleiben. Für immer.

Sowas ähnliches müssen sich die Leute in der Werbeagentur wohl gedacht haben.

Andererseits: SOWAS denken Leute in Werbeagenturen nicht. Leute in Werbeagenturen denken:
Das moderne Individuum will seine Finanzen immer und überall im Griff haben, ganz besonders im Bett. Da will es seine Rechnungen zahlen, weil das durchkapitalisierte Individuum das braucht um sich als Mensch zu fühlen, besonders im Bett. Schon morgens vor dem Aufstehen will es wissen, was das Bankkonto sagt, und abends, bevor es das Licht ausknipst, über den Kontostand meditieren. Das Bankkonto ist sein Intimstes, mit dem es das Bett teilt.
Wenn das moderne Individuum das nicht kann, dann fühlt es sich einsam.

Oder weiß der Geier, was Leute in Werbeagenturen so denken, wahrscheinlich irgendwas anderes, wie zum Beispiel: "Klingt gut, irgendwie gemütlich, denkt ja eh keiner so genau drüber nach.", oder gar nichts, oder: "Wann ist endlich Mittagspause."

- aber ich fürchte, ICH kann nicht verbergen, dass ich soeben das neue Buch von Sibylle Berg - "Die Fahrt" - gelesen habe, das merkt man nämlich an dem Geschreibsel hier - ich jedenfalls merke das. Ich hoffe, der Leser sieht mir das nach, ich bin eben auch nur ein Mensch, leicht zu beeindrucken und formbar wie ein Stück weiche Knete. Blaue Knete. Wäre ich dann gerne, bitte. Danke.

Samstag, 25. August 2007

Leider nicht ganz scharfes Photo, ich entschuldige mich dafür.

Wie lange muss ein Vogel wohl so daliegen, bis er so skelettiert aussieht?
Ich finde das ja recht faszinierend, wie man da so genau sehen kann, wie die Federn an den Knochen festgewachsen sind... wie bei dieser Archäopterix-Skelett-Versteinerung. Ab wann hört sowas eigentlich auf, eklig zu sein? Wenn gar kein Fleisch mehr dran ist und nur noch Knochen, oder erst, wenn es ein Paar Millionen Jahre als ist und versteinert?

Freitag, 24. August 2007

"Hello Kitty ist Männerkram!"

Der oder das spitzboubenblog dokumentiert im Folgenden einen Aufruf, wo immer möglich im Internet und außerhalb desselben "Hello Kitty ist Männerkram!"-Gruppen zu gründen. Ziel der Initiative ist eine umfassende Kulturrevolution, zu deren eifrigen Unterstürzern sich der oder das spitzboubenblog nur zu gerne zählen möchte, zumal, anders als damals in China, ein weitgehend unblutiger Verlauf geplant ist. Also, gründet HKiM-Gruppen, bzw. tretet bereits existierenden bei! Für eine NGO neuen Typs!

Als Mädchen auf Hello Kitty zu stehen, geht ja mal gar nicht. "Mädchen" - denn das möchte der typische weibliche Hello-Kitty-Fan ja wohl sein. Süß. Niedlich. Nicht ernst zu nehmen. In einem Wort: Kindchenschema. So etwas finden wir genderkritischen Menschen nicht gut! Nein nein!

Darum stellen wir fest: Hello Kitty ist nur was für Männer! Höchstens auch noch für crew-cut-tragende Butches, für Krawallpunkerinnen und für 1,90m große Kickboxerinnen. Und so. Solche Leute dürfen und sollen Hello Kitty tragen, denn Hello Kitty ist eine großartige ästhetische Errungenschaft des Spätkapitalismus.

Schenkt kleinen Jungs Hello Kitty-Konsumzeugs! Aber haltet es von Mädchen fern, schenkt denen Boxhandschuhe oder Transformers!


Manchmal brauche ich diese Zeile nicht

Momentan ist hier im Blog nicht so viel los, aber schließlich haben auch Spitzbouben mal Sommerferien verdient, und in Australien, wo bou gerade verweilt, ist ja jetzt Weihnachten. Allerding möchte ich allen kommunistischen Freunden des japano-italienischen Arbeiterhelden Super Mario folgenden schönen Link nicht vorenthalten, obwohl gewisse eher ästhetizistisch gesonnene Teile des Autorenkollektivs (be) das gar nicht so toll fanden. Ich aber schon.

Freitag, 17. August 2007

Fucking great stuff!

Übrigens habe ich heute einen ABSOLUT GROßARTIGEN Film gesehen, den ich unseren Lesern hiermit ans Herz legen möchte:

Ex Drummer von Koen Mortier, die Verfimung eines gleichnamigen Romans von Hermann Brusselmans - der einmal, so die Anekdote, die der Regisseur heute erzählte, im belgischen Fernsehen geladen war, um ein EM-Fußballspiel der Belgischen Nationalmannschaft zu kommentieren und dann auf die Frage, wie er das Spiel gefunden habe, so was ähnliches sagte, wie (dabei auf die Frau neben sich deutend): "Keine Ahnung, ich hab nicht zugeschaut, ich hab die ganze Zeit mit ihr rumgemacht."
Das soll als Einblick reichen, der Film jedenfalls: brutal, derb, sehr unkorrekt, dreckig, hässlich, dabei intelligent und an allen Klischees vorbei, sehr lustig und vor allem sehr sehr gut inszeniert! Einer der beeindruckendsten Filme, die ich je gesehen habe, echt wahr! Wollte ich nur mal gesagt haben, vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen von unseren schlecht gelaunten Lesern.

Abgrund, wir kommen!

Ab sofort bin ich blond. Oder jedenfall so was ähnliches, so goldgelb. Das mit der Einwirkzeit und der gleichmäßigen Farbverteilung muss ich wohl noch ein wenig üben - aber dazu wird mir die Gelegenheit nicht fehlen, denn meine Haare wachsen so schnell wie eine Schnecke kriecht (ungefähr).


Das mag jetzt für den einen oder anderen hier nicht so furchtbar spannend sein, denn ihr wusstet ja eh nicht, wie ich vorher ausgesehen habe. (Andererseits habt ihr jetzt hiermit einen Sprung vom Nichtwissen ins Wissen gemacht und das ist doch ziemlich viel wert!) Aber für mich ist es ungeheuer spannend, denn das ist total seltsam jetzt - niemals in meinem bisherigen Leben hatte ich eine andere Haarfarbe als Kastanienbraun! Die Wirkung ist ja komplett anders als vorher! Vielleicht wirke ich jetzt sehr intelligent, oder so, als hätte ich einen total schelchten Geschmack - wahrscheinlich letzteres...
Jedenfalls werde ich nicht davor zurückschrecken, mein neuerworbenes Blondinendasein als Ausrede für sämtliche Blödheiten und Einfallslosigkeiten zu benutzen. Nur damit ihr gewarnt seid! - Dem fortschreitenden rasanten Niedergang dieses Blogs sind damit keine Grenzen mehr gesetzt!

Mittwoch, 8. August 2007

Bloggen und Blockaden

Ich glänze ja auf diesem Blog vornehmlich durch Abwesenheit, seit eine anhaltende Schreibblockade mich gefangen hält. Was wäre also angebrachter, als ein (zaghaftes) Comeback zu feiern, indem ich auf ein Blog hinweise, dessen Autorin ebenfalls hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleiben dürfte.


Oder ist ihr Schweigen doch am Ende eloquent, wie man so eloquent sagt? Oder kommt da noch was? Nimmt da ein Genie einen Anlauf zu einem genialen Spruch? Bekommen wir ein Schwesterblog oder, um die Hierarchien richtig zu stellen, eine kanadische Juniorkorrespondentin, der wir einen Platz innerhalb des Spitzboubenprojekts zuweisen könnten? Oder ist Google ironisch, wenn es das Blog anzeigt, wenn man nach "aptly named" sucht? Ich empfehle genaueste Beobachtung!

Dienstag, 31. Juli 2007

Die BVG, dein Freund und Lehrer

Ach ja, die BVG. Immer für einen Scherz gut...
Neu ist aber, dass sie sich offenbar der sprachlichen Bildung der "Fahrgäste" verpflichtet fühlt, und ihnen komplizierte zusammengesetzte deutsche Begriffe, wie etwa "mutwillige Zerstörung", durch klar verständliche und formschöne Fremdworte nahebringt.

Montag, 30. Juli 2007

"DER FEIND STEHT LINKS..."

"... Wie ihr vielleicht wißt, liebe Freunde, die ihr ja außer der LSD hier und da auch noch andere Sachen lest, gab es in Berkeley, Seattle, New York kleine Revolutionen und die in Berkeley, die im Bombenlegen, Fenstereinschmeißen, Wandbeschmieren bestand, habe ich aus nächster Nähe aus einem VW-Bus beobachtet und dabei selbst fast eine aufs Haupt bekommen. Also das genügte mir, und vor meinen zwei Klassen begann ich mit der Kritik. Erstens, indem ich auseinanderlegte, wie ein wirklicher Anarchist vorgehen würde. Auf einer Karte erklärte ich genau die Lage von Schaltwerken, gab auch an, wie man sie sprengen könnte (schließlich war ich im Krieg nicht umsonst Pionier), dann die Lage von Wasserwerken etc. etc. Zweitens taktische Bemerkungen, Ideologie etc. etc., sodaß sich ergab, wie dieses Unternehmen, von allen Gesichtspunkten aus betrachtet ungenügend, idiotisch, infantil sei. Der Feind ist links - und das nächstemal beginnt die Diskussion unter Teilnahme von SDS Bonzen."
(Paul Feyerabend, Brief an Hans Albert, Februar 1970, zitiert nach Paul Feyerabend, Hans Albert: Briefwechsel, hg. von Wilhelm Baum, Frankfurt am Main 1997, S. 164 f.)

LSD: "Logic of Scientific Discovery" von Karl Popper, deutscher Titel: "Logik der Forschung".
SDS: Students for a Democratic Society.

Dienstag, 24. Juli 2007

Wer ist der coolste Windhund seit Marx? - 2. Runde

Vor einer Weile hatte das internationale Publikum dieses Blogs die Gelegenheit, den ultimativen Fight zwischen zwei Pop-Heroen der linken Gesellschaftskritik auf basisdemokratischem Wege endgültig zu entscheiden. Damals ließ das verbindlich in alle Schulbücher aufzunehmende Ergebnis an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Lenin ist viel cooler als, nomen est omen, Erich Fromm.

Trotz dieses großen Triumphes der historischen Wahrheit über die Propagandalügen revisionistischer Geschichtsverfälscher wurden doch auch gewisse Mängel des Verfahrens offenkundig: Die Wahlbeteiligung (nur einer von 6,7 Milliarden Wahlberechtigten nutzte sein Stimmrecht) erlaubt es leider nicht, gewisse Zweifel an der Repräsentativität des Abstimmungsergebnisses restlos auszuräumen. Daher habe ich für die zweite Runde ein Verfahren gewählt, das mehr dem pragmatischen Geiste des Demokratischen Zentralismus entspricht, dem sich unser "Blog neuen Typs" seit eh und je verpflichtet fühlt: Ich habe die Entscheidung einem Experten überlassen, und die Weltöffentlichkeit hat nunmehr die Möglichkeit, das Resultat zur Kenntnis zu nehmen und zu verinnerlichen.

Bei dem Experten handelt es sich um Hans Albert, der die Quintessenz seiner Forschungen auch im aktuellen "Zitat der Woche" bündig zum Ausdruck bringen durfte. Ich bin sicher, er würde es billigen (hab natürlich nicht gefragt), dass wir folgendes dreißig Jahre altes, aber noch immer aktuelles Statement von ihm verwenden (es stammt aus einem Brief an Paul Feyerabend vom 16. November 1968). (Zwar hat Herr Habermas seine theoretische Position seither beinahe so oft gewechselt wie seine Hemden; wieviel von der Albertschen Kritik durch diese permanente erratische Kurswechselei in immer seichtere, konformistischere Gewässer hinein überholt sein mag, ist eine ganz andere Frage!)

"Was Habermas angeht [...] ist sein neues Buch über Erkenntnis und Interesse eine ziemliche Zumutung. Er läßt einen da an seinem ganzen Verdauungsprozeß teilnehmen, kommentiert in einem fort irgendwelche Philosophen in sehr weitschweifiger Weise, ohne daß viel Neues dabei herauskommt, wird sofort in höchstem Maße unklar, wenn er mal etwas Eigenes zu den Problemen beizutragen versucht. Eine seiner wesentlichsten Strategien hat er beibehalten: Unterscheidungen ohne Unterschied einzuführen, damit er seine Positition auf jeden Fall durchhalten kann. Bei solchem Wortschwindel kann man ihn in einem fort ertapppen. Fast immer macht er eine referierte Auffassung durch seine Umdeutungen schlechter. [...] Etwas wesentlich Neues habe ich in diemem wortreichen, weitschweifigen, unklaren und prätentiösen Buch nicht entdecken können. [...] Ein schönes Angriffsziel an sich, wenn es nicht so mühsam wäre, den Kern des Gedankenmusters herauszuschälen. - Im übrigen finde ich tatsächlich Lenins 'Materialismus und Empiriokritizismus' - was ich auch gerade gelesen habe - besser (und zwar dem Inhalt nach und als Lektüre!). Während Lenin den Idealismus (auch den positivistischen) aufs Korn nimmt und sehr schön zersäbelt, versuchten Apel, Habermas und ihre Anhänger ihn wieder - und zwar indem sie sich in der Maske des Anti-Positivismus präsentieren, wobei das Angriffsziel de facto der Realismus ist - zu installieren: hermeneutischer Idealismus als Fortsetzung der Theologie, um den Bereich des Geistes gegen die Konsequenzen der Darwinschen und anderer Entdeckungen abzuschirmen... [...] Also komm mir nicht mit der Habermas-Produktion; dann schon lieber Lenin und Marx..."
(Zitiert nach: Paul Feyerabend, Hans Albert: Briefwechsel, hg. von Wilhelm Baum, Frankfurt am Main 1997, S. 89 f.)












Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung: Welcher Guru ist auf stylischere Weise verherrlicht worden?

Dieser Post kann Euch ca. 20.000 Seiten unnützer, qualvoller Lektüre ersparen!

"Habermas: schlimm, ganz schlimm"
Hans Albert, Brief an Paul Feyerabend vom 27. Oktober 1969

(Mehr zum Thema finden Sie hier.)

Montag, 23. Juli 2007

Die Schönheit der organischen Natur

Boärgs. Also langsam sollte ich mir Gedanken machen, ob meine Haushaltsführungsunfähigkeit nicht bedenkliche Ausmaße annimmt... - Aber stand der Grünkern da wirklich schon so lange?

Ewiger Abschied

Beate Uhse ist ein seriöses Unternehmen. Abgesehen davon, welche Vorstellungen man dort von einem sexy Décolleté und, ähm, "erotischen" "Gesichtern" hat (das kann man so ja fast nicht schreiben, sind das überhaupt Gesichter??), merkt man das vor allem daran, dass jeder neue Katalog mit tollen Gewinnspielen und "Gratis-Überraschungen" oder "Gratis Super-Sex-Überraschungen" oder auch "einer spannenden erotischen Überrraschung extra" wirbt. Das ganze entpuppt sich dann natürlich als irgendein trashiger Nepp. Die versprochenen "9 Gratis-DVD's" zum Beispiel sind bei näherem Hinsehen nur eine DVD mit Zusammenschnitten aus 9 verschiedenen Filmen. Der aktuelle Katalog kam mit der verlockenden Aufforderung: "Ergreifen Sie jetzt mit ihrem Schlüssel die letzte Chance auf ein Traumhaus im Wert von € 60.000.-*?" Das klingt ja schon ein wenig seltsam - ein TRAUMHAUS für 60.000 €?? Und Sternchen machen ja sowieso sofort misstrauisch! Das "Traumhaus" ist dann auch nur eine Ferienwohnung, aber immerhin "auf einer tropischen Insel" und mit "Whirlpool und Schwimmbad".

Vor circa eineinhalb Jahren nahm meine Fernbeziehung zu Beate Uhse († 16. Juli 2001) eine dramatische Wendung, als ich den aktuellen Katalog mit einer mich in großen Schrecken versetzenden Warnung vorne drauf zugeschickt bekam: "WARNUNG: Wenn Sie nicht reagieren, ist dies ihr letzter Katalog, und wir nehmen ABSCHIED voneinander." Ahhhrrrggg, ABSCHIED, wie schrecklich!! Innen wurde ich informiert, ich hätte schon sehr lange nichts mehr bestellt und wenn ich auch diesmal nichts bestellen würde, wäre es leider nicht möglich, mir weiterhin den wertvollen Katalog zuzuschicken, sie würden das sehr bedauern und mich gerne als Kundin halten und deswegen gäbe es auch extra gratis, wenn ich innerhalb von zwei Tagen antworten würde... oder so ähnlich.
Zu meiner großen Erleichterung entpuppte sich das jedoch bald als leere Drohung. Der nächste Katalog kam, und seither hat einfach jeder Katalog dieses gelb-rote Warnschild außen dran.

Ich habe mich ja immer gewundert, wieso Beate Uhse (und das gilt für ORION gleichermaßen) es nötig hat, seine Kunden mit derartigen durchschaubaren Super-Gratis-Gewinn-Tricks zu locken,

die man sonst von irgendwelchen Lotteriegesellschaften kennt, die dem als absolut dämlich vorgestellten Kunden den Gewinn als speziell für ihn reserviert suggerieren sollen.

Aber sollte Sex nicht von selbst sellen? Ich verstehe das nicht...

Dienstag, 10. Juli 2007

Die BILD - Luthers Vermächtnis?

Heute habe ich mich mal wieder auf die Straße getraut, was ich aus wohlerwogenen Gründen normalerweise vermeide, und naserümpfend festgestellt: Die beliebte Werbekampagne "Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht" der noch beliebteren sog. BILD-Zeitung ist wieder da.

Schon vor einigen Monaten warb obengenannte Publikation unter diesem Slogan mit den Portraits von Menschen wie Einstein, Galilei, Gandhi, oder Martin Luther King. (Auch an ein Plakat mit Freud meine ich mich zu erinnern, kann das aber momentan nicht verifizieren.) Ich hielt das für Realsatire at its best und fand es überflüssig, das noch zu kommentieren. Dass die abgebildeten Berühmtheiten der beworbenen Gazette geistig, moralisch und politisch denkbar fernstanden, bedarf keiner gesonderten Erwähnung, sondern macht gerade die Pointe der Kampagne aus. Insofern hält sich das aufklärerische Potential von Satiren der Satire - die Käpt'n Blaubär, Goebbels oder meinetwegen auch Dutschke und Walraff in die Plakate einsetzen - meines Erachtens in engen Grenzen. Der Subtext lautet doch gerade: Die sind tot und können sich nicht mehr wehren; unsere Millionenleserschaft andererseits ist tatsächlich so dumm und ungebildet, dass sie sich nicht verhöhnt fühlt, wie sie ja eigentlich müsste. Der Witz besteht gerade darin, dass die BILD, indem sie sich das Renommee dieser Menschen einfach symbolisch aneignet, beweist: Es kommt gar nicht auf die "Wahrheit" an, und ihr könnt sie solange "sagen", wie ihr wollt - es wird euch nichts nützen, denn nicht Wahrheit, sondern Macht setzt Recht. Von der moralischen und aufklärerischen Leistung der Abgebildeten ist nichts geblieben als ein bisschen symbolisches Kapital, das jedem gehört, der in der Lage ist, es einzusetzen, gleich zu welchem Zweck.

Bald darauf begann die zweite Runde. Statt Realsatire gab es nunmehr absurden Humor mit Tendenz zur Antiwerbung. Vom einen Tag auf den anderen wurden Konterfeis der mutigen Männer ersetzt durch brillante und wahrhaft BILDeske aperçus wie "Ja, mein Busen ist gemacht", "Mutti, du kannst nicht kochen" oder "Schatz, ich habe dich betrogen".

Dann war, jedenfalls in meiner Wahrnehmung, eine ganze Weile lang Ruhe - bis heute. Und was sehen meine verwunderten Augen? Es gibt wieder Prominente, aber diesmal der Exegese bedürftige. So wirbt die BILD neuerdings mit Luther und dem berühmten Photo von Kohl und Mitterand beim Händchenhalten in Verdun. Nun fragt man sich natürlich, welche "Wahrheit" die beiden "Mutigen" dort ausgesprochen haben könnten. Oder will BILD mehr auf die moralische Lehre hinweisen, die aus dieser Episode zu ziehen ist - etwas in der Art von: "Franzosen und Deutsche können doch Freunde sein! Oder jedenfalls Franzosen und Rheinländer"? Oder womöglich: "Weltkrieg ist nicht schön, aber vor allem muss man sich nachher wieder vertragen"?

Nun aber Herr Luther... Welche der zahlreichen von ihm markant formulierten Wahrheiten könnte gemeint sein? Vielleicht: "Darumb auch ungehorsam grosser sund ist dan totschlag, unkeuschheit, stelen, betriegen" (Von den guten Werken, 1520)? Oder eher: "Der esel will schlege haben, und der pofel will mit gewalt regirt seyn, das wuste Gott wohl, darumb gab er der oberkeyt nicht eynen fuchsschwantz sondern eyn schwerd ynn die hand" (Ein Sendbrief von dem harten Büchlein gegen die Bauern, 1525)? Vermutlich doch eher der ähnlich gelagerte Bauernkriegs-Klassiker: "Drumb soll hie zuschmeyssen, wurgen und stechen heymlich odder offentlich, wer da kan, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teufflischers seyn kan, denn eyn auffrurischer mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund totschlagen muss." (Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)
Ziemlich sicher nicht gemeint sind dagegen Luthers Erkenntnisse aus seinen beliebten Schriften "Von den Juden und ihren Lügen" und "Vom Schem Hamphoras". (Eine interessante Zitatensammlung zum Thema "Luthers Antisemitismus" findet sich hier. Es handelt sich um eine Seite von kirchenfeindlich gesonnenen christlichen Eiferern.)

Donnerstag, 5. Juli 2007