Samstag, 20. Oktober 2007

Adorno im Mixer, ach was, erst dilettantisch abgemalt, dann schwarz-weiß-kopiert, zerschnipselt, umgestülpt, angespuckt und ausgelacht

Adorno scheint ja zurzeit mal wieder schwer im Kommen. Das jedenfalls ist mein subjektiver Eindruck. Auch die Kritiker fühlen sich offenbar aufgefordert, darauf zu reagieren - doch anscheinend verläuft eine solche Rezeption in absteigenden Wellen und insbesondere die Kritik wird jedesmal dümmer. Ein hervorragendes Beispiel dafür habe ich auf der Achse des Guten entdeckt, ein Artikel mit dem Titel "Zur Kritik der kritischen Theorie" von einem gewissen Michael Holmes, einen Namen, den man sich gewiss nur merken muss, um ja nie wieder etwas aus Versehen von ihm zu lesen. Der Artikel ist wirklich so schlecht, dass es völlig albern ist, sich darüber auszulassen, aber die Achse des Guten ist ja auch nicht das hinterletzte Provinzblatt. Außerdem habe ich ja durchaus manchmal eine cholerische Ader und die muss ja auch zu ihrem Recht kommen...

Der Tenor des Textes ist ungefähr (oder sogar ziemlich genau) dieser: Die kritische Theorie ist ein höchst ideologisches Gebilde, das alle Übel der Welt in einer Art verschwörungstheoretischen Konstruktion völlig simplifizierend auf eine einzige Ursache zurückführt: das Ganze, die Totalität (in der Tat ziemlich simplifizierend!), der Kapitalismus. Das ist in seiner bestechenden Einfachheit natürlich total attraktiv, besonders für junge Leute, die irgendwie diffus unzufrieden sind mit der Welt, wie es junge Leute halt so sind, deswegen ist die Kritische Theorie von Adorno und Horkheimer nicht nur einfach falsch, sondern äußerst gefährlich. (Ich glaube der Kritischen Theorie ist noch selten vorgeworfen worden, sie würden zu stark vereinfachen oder simplizistisch denken. Auch dass ihre Texte sich offenbar als einfache Erklärung für desorientierte Jungspunde anbieten, ist doch ein einigermaßen kreativer Vorwurf, wenn man sich einen solchen Text mal ansieht.) Noch dazu ist das aber auch total falsch, was sie schreiben, weil besonders Adorno in seinen Texten jegliche empirischen Daten einfach ignoriert (mit der simplen Ausrede, diese seien "positivistisch"), die nämlich allesamt sagen, dass der Kapitalismus, genauer gesagt die Marktwirtschaft, ein Segen für die Menschheit ist, der Wohlstand für alle und qualitativ äußerst hochwertige Produkte (wegen Angebot und Nachfrage) und noch mehr tolle Sachen hervorbringt! Das hat Adorno einfach nicht wahrhaben wollen, dass ja der Verkäufer NATÜRLICH gar nicht anders KANN, als hochwertige Produkte herstellen, weil es sie ja sonst nicht VERKAUFEN könnte! Mensch, dass der DAS nicht gemerkt hat, der Adorno, da ist ja das ganze Kulturindustriekapitel praktisch hinfällig!
Immerhin fällt dem Autor am Ende auf, dass man Adorno und Horkheimer persönlich allerdings nichts vorwerfen könne, sie hätten immer alles richtig gemacht und sämtliche Spinnereien der Linken kritisiert. Diese These mutet in dem Kontext doch seltsam an, es scheint ja fast, als täte sich hier ein riesiger Widerspruch zwischen Theorie und Praxis auf! Wie nur konnten sie es schaffen, alles richtig zu machen, wo sie doch offenbar alles falsch gedacht haben? ZUm Glück haben sie also offenbar ihre eigene Theorie nicht geglaubt. Wahrscheinlich hatten sie sogar Toaster daheim!

Der ganze Artikel ist kaum gehaltvoller als diese Zusammenfassung. Er ist grauenvoll geschrieben und strotzt nur so vor Einfältigkeit. Vom ursprünglichen Erscheinungsort, der sowas ähnliches wie philosophischen Halbjahresschrift "Aufklärung und Kritik" hat man ja nicht unbedingt was anderes erwartet, schließlich war sie schon immer eine scheißliberale Versammlung von (zum überwiegenden Teil) Akademikern der dritten und vierten Reihe, - aber dass die Achse der Guten, bisher (mir jedenfalls) noch nicht durch schlecht geschriebene Jubelarien auf den Kapitalismus aufgefallen, es nötig hat einen derartig dämlichen Scheiß zu veröffentlichen, wundert mich doch. Man kann es wirklich nicht anders ausdrücken, es tut mir leid, aber einen solch dummen Artikel habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Nicht dass es an der Kritischen Theorie nichts zu kritisieren gäbe, aber wenn man offenbar nichts von dem versteht, was in ihren Texten steht, wieso fühlt man sich dann berufen, einen Artikel darüber zu schreiben?

6 Kommentare:

empty rooms hat gesagt…

ich finde, man kann achgut durchaus in eine reihe mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stellen. die achse ist ein schönes beispiel dafür, wie kritik an bestimmten politischen gegnern (hier: antiimps) in apologetik des bestehenden umschlägt. (sehr schön ist auch: "Wer Offroader fährt, schützt das Leben seiner Kinder. Kritik daran ist nichts als Neid." - http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/geld_oder_leben).

ich halte ja adorno auch für einen erzkonservativen moralapostel (unerreicht ist sein palaver zu elektronischer musik, auf das ich ihn allerdings nicht reduzieren würde), stimme Dir aber bzgl. des obengenannten textes voll zu.

Julius Firefly hat gesagt…

Zur Achse möchte ich auf diesen Artikel verweisen: Mythos Offroader, der den von empty rooms verlinkten Artikel beharkt. Das war Anfang Juni, und nur ein weiterer Höhepunkt in einer Reihe extremliberaler "Jubelarien".

Achse: mal so, mal so. Und leider mittlerweile zu viele Peinlichkeiten für meinen Blogroll. Das war mal anders.

Anonym hat gesagt…

ach, jetzt habe ich extra mal geguckt, ob ich da was fürchterlich aufregendes neues im blog der famosen spitzbouben finde, und dann ist da garnichts, nur die alten, bereits etwas angestaubten einträge. ja, fällt denen gar nichts mehr ein? langeweile? zuviel arbeit? zuviel studium? zuviel leere im kopf? zuwenig kreative energie, wie man heute so sagt? ja, was machen wir denn jetzt? ich muss ja input haben. schreibt halt mal wieder was komisches oder aufregendes oder skurriles, herrgottnochmal. sonst muss ich ja wieder die bildzeitung lesen, und das wollt ihr doch nicht, was?

Anonym hat gesagt…

adorno wird man nur gerecht, indem man ihn sowohl gegen seine kritiker wie gegen seine anhänger verteidigt, fürchte ich.

Anonym hat gesagt…

So ist es.

Anonym hat gesagt…

anonym, das ist aber ein widerspruch. denn entweder kritisiert man die anhänger und gehört damit zu den kritikern adornos oder man kritisiert die kritiker und gehört damit zu den anhängern. in beiden fällen kritisiert man sich selbst.

nein, war nur spaß...