Freitag, 28. März 2008

Kampf dem antiislamischen Rassismus!

Der niederländische Parlamentsabgeordnete Geert Wilders hat, wie der eine oder die andere schon erfahren haben könnte, unlängst einen umstrittenen Film unter dem Titel "Fitna" veröffentlicht. Herr Wilders ist bekanntlich ein Rechtspopulist mit sehr schlechter Frisur, und sein Film firmiert als "islamkritisch". Wer daher, wie ich, tatsächlich kritisch denkt und noch nicht total verblödet ist von der allgegenwärtigen antiislamischen Hetze, dem ist bereits vor dem Sehen von "Fitna" klar, dass es sich hierbei um ein rassistisches, Hass schürendes und daher die Meinungsfreiheit untergrabendes Machwerk handelt. Dies hat sehr treffend z.B. tagesschau-Korrespondent Markus Preiß festgestellt. Denn eines ist ja bekannt: dass nämlich der Islam eine, wenn nicht die Religion des Friedens ist. "Islam" heißt ja (wenn auch nicht richtig) übersetzt Frieden - der Islam hat den Frieden überhaupt erfunden! Daran ändern auch einige von Wilders sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissene Koranzitate nichts, die der Möchtegern-Volksverhetzer empörenderweise nicht nur im arabischen Original, sondern auch in einer niederländischen bzw. englischen Übersetzung (!!!) präsentiert. Eine extreme Provokation für alle gläubigen Muslime, die bekanntlich glauben, dass jede Zeile des Koran, als von Gott direkt offenbart, heilig ist und daher unter keinen Umständen übersetzt oder sonstwie verändert werden darf.

Wilders infamer Film geht sehr eigenwillig mit der Realität um, er setzt auf Ressentiment anstatt auf Fakten. Emotional aufgeladene Ereignisse wie die Tragödie des 11. September oder der Tod von Theo van Gogh werden assoziativ in einen Zusammenhang mit dem Islam gestellt, obwohl dieser - nüchtern betrachtet - mit den genannten Unglücksfällen gar nichts zu tun hat. Hierdurch soll Hass auf alle Moslems geschürt werden. Diese Propaganda ist extrem rassistisch: es wird suggeriert, die islamische Rasse sei genetisch zur Barbarei determiniert, und somit indirekt zu Zwangssterilisationen und Massenmord aufgerufen. Das medial konstruierte Bild des gewalttätigen Moslems ist nur vergleichbar mit dem antisemitischen Bild der "Judensau". Gewalt ist den Moslems ebenso unheilig wie den Juden das Schwein. So soll in beiden Fällen die äußerste Erniedrigung und Provokation erzielt werden, indem man einmal Moslems, das anderemal Juden mit dem identifiziert, was sie am meisten verabscheuen. Was Menschen wie Geert Wilders in ihrer dummdreisten Propaganda unterschlagen, ist die Tatsache, dass ein Mörder, der zufällig und nebenbei auch Moslem ist, den Islam nicht zu einer mörderischen Religion macht; ein Moslem dagegen, der in aller Regel niemanden umbringt, nicht einmal seine eigene Schwester, beweist sehr wohl, dass der Islam eine friedliche, moderne, ja liebenswerte und an Freunde und Bekannte weiterzuempfehlende Religion ist. Geben wir es ruhig zu: Der Islam ist sexy, Mohammed ist der Che Guevara, der James Dean, der Jesus unserer Zeit. Nicht länger dürfen wir unser Verlangen, unsere Liebe, unser pulsierendes Begehren verleugnen. Die Islamophobie wurzelt, ähnlich wie die Homophobie, in der hartnäckigen Verdrängung der eigenen islamischen Veranlagung.

Der Islam ist ein wenig wie das Megalos der ARD-Fernsehlotterie: Er will alle Menschen glücklich machen. Nur dass das Los nicht vor der Hölle schützt! (Kleiner Scherz am Rande.) Wer eine so ungewöhnlich friedliebende Religion derart grotesk beleidigt wie Wilders, muss sich über entsprechende Reaktionen nicht wundern. Zurecht zeigen sich selbst in unserer so islamophob eingestellten Medienwelt einige besonnene, aber auch scharfsinnige und durchaus humorvolle Geister zutiefst besorgt (die etwa den so naheliegenden wie dringend nötigen Hinweis einbringen, dass die Suren des Koran für die muslimische Welt einerseits und islamistische Anschläge andererseits etwa dieselbe Bedeutung haben wie "Zitate aus der feministischen Literatur oder so" für "Deutschland" bzw. die dortigen "Kindermorde der letzten Zeit"). Denn durch sein amoralisches, menschenverachtendes und vollkommen verantwortungsloses Handeln könnte Wilders die Meinungsfreiheit gefährden oder gar Gewalt auslösen. Sollte ihm dies gelingen, wäre es ein weiterer Schritt zur Stigmatisierung, Ausgrenzung, Diskriminierung und - in letzter Konsequenz - physischen Vernichtung aller Muslime. Dass sich innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung von "Fitna" im Internet vom niederländischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende bis zu UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zahlreiche politische Verantwortungsträger über den Film lautstark empört haben, macht Hoffnung. Zwar beschert es Geert Wilders, der genau wie Hitler und George W. Bush mit Hass Politik machen will, eben die Aufmerksamkeit, die er wollte; doch andererseits stehen die Reaktionen in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß des Zivilisationsbruchs, den sein Film darstellt. Die friedliebende, nicht islamophob-rassistisch eingestellte Minderheit in der westlichen Welt muss jetzt Zivilcourage zeigen und die Rechte der Muslime ebenso wie die Meinungsfreiheit und das einhellige Zusammenleben der Angehörigen der drei abrahamitischen Rassen verteidigen. Es gibt Grenzen der Toleranz - gegenüber unverbesserlichen Irren und Gewaltfanatikern wie Geert Wilders ist Appeasement keine Option. Wir müssen ein Zeichen setzen. Die Muslime dürfen nicht länger zur Notwehr gezwungen werden! Daher sollten wir es diesmal besser machen als bei Theo van Gogh und, als ein Zeichen des guten Willens an die muslimische Welt, Geert Wilders selbst zur Rechenschaft ziehen, anstatt einen pazifistischen Moslem die Drecksarbeit machen zu lassen. Friedensbewegung, jetzt ist die Zeit, tätig zu werden!

Freitag, 14. März 2008

Analfissur und Hämorrhoiden (- mit neuem Nachtrag!!!)

Natürlich wissen jetzt schon wieder alle, worum es geht. Denn ich bin ja immer ein wenig hinterher und erlange meine Erkenntnisse aus zweiter oder dritter Hand, wenn es eh schon alle wissen.
Aber egal. Ich fahre jedenfalls für eine Woche in Urlaub zu meiner heiß geschätzten und hoch geliebten Verwandschaft, und nehme ihr wisst schon welches Buch mit als Reiselektüre (neben dem allgegenwärtigen Hegel, versteht sich) - genau: "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche. Und das verspricht unterhaltsam zu werden, schließlich geht es um eine junge Frau mit blumenkohlförmigen Hämorrhoiden, die sich bei der Porasur in die Rosette schneidet, deswegen ins Krankenhaus kommt sich dort "mit ihrem Körper untenrum vorne und untenrum hinten beschäftigen" muss - weil Charlotte Roche es so will. Das ganze soll so eine Art Anti-Hygienefimmel-Porno sein und ich bin schon sehr gespannt.
Genauere Erläuterungen dazu gibt's hier und hier und eine rührende Analsex-Story von Roger Willemsen hier. Aber was sag ich, kennt ihr ja alles schon.

Nachtrag vom 29. 03. 2008:

Ich weiß natürlich, dass ihr alle ganz furchtbar neugierig seid und unbedingt wissen wollt, wie be nun diesen ominösen "Vivamoderatorinnenroman" fand! Und das will ich euch auch auf keinen Fall vorenthalten!

Hier meine äußerst differenzierte Beurteilung:
Gesamturteil: Sehr gut (1,3)
Sprachliche Qualität: Gut (2,0)
Formaler Aufbau: Gut (2,3)
Inhalt: Sehr gut (1,3)
Konsequenz der Ausführung: Sehr gut (1,0)
Wichsfaktor (Skala von null bis fünf): 2,5
Ekelfaktor: je nach Robustheit des Lesers (ich hörte von Frauen, die das Buch schon in der Mitte angewidert zur Seite legten); in meinem Fall: 2
Ekelhöhepunkte: Kotze (von zwei Menschen) wird (von diesen zwei Menschen) aus einem Eimer getrunken, blutige Tampons werden in Fahrstühlen abgelegt, Mineralwasser wird im Mund gegurgelt und in die Flasche zurückgespuckt um es hernach Gästen anzubieten, mit einer grillgut- und rußbehafteten Grillzange wird ein Tampon aus der Vagina geholt (und die Zange danach ungewaschen zurückgelegt), auf verdreckten Bahnhofstoilettensitzen wird extra einmal mit der Muschi herumgewischt, um die Angst der Hygienefanatiker vor Krankheiten ad absurdum zu führen, es wird in der Nase gepopelt und das zu Tage geförderte sodann gegessen, ebenso werden Hautkrusten und ausgedrückte Pickel verspeist - und das alles von der Hauptfigur des Buches, der 18-jährigen Helen Memel, die das natürlich überhaupt nicht eklig findet, sondern vielmehr toll und teilweise sogar erregend.
Autoerotikfaktor: sehr hoch

Urteilsbegründung:
Auch wenn das Buch literarische Schwächen haben mag (die so groß allerdings auch nicht sind, finde ich), ist die Hauptfigur Helen Memel einfach klasse erfunden. Sie ist nämlich äußerst konsequent. Konsequent in ihrer Abneigung gegen Hygienevorschriften, die ihr von verklemmten Leuten (besonders ihrer Mutter) gemacht werden, die ständig betonen, dass Hygiene ungemein wichtig ist und dass man krank wird, wenn man nicht peinlich genau darauf achtet. Und dass überhaupt alles ganz furchtbar peinlich und eklig ist, was von den Hygienevorstellungen abweicht, die vor allem darin bestehen, dass sämtliche Körperausscheidungen, -gerüche und -flüssigkeiten bäh sind und dashalb ständig weggeputzt und überdeckt und versteckt werden müssen, wenn sie denn schon vorhanden sein müssen. Das Schöne an dem Buch ist, dass Helen Memel ungemein konsequent gegen diese Auffassungen angeht und mit wissenschaftlichem Eifer die Hygienemythen zu widerlegen trachtet. Deswegen reicht es nicht, dass sie sich auf die Klobrillen öffentlicher Toiletten draufsetzt, nein sie wischt noch einmal extra mit der Muschi die Brille entlang, um endgültig zu beweisen, dass man davon nicht krank wird. Der andere schöne Zug an Helen Memel (und Charlotte Roches Roman) ist der, dass sie in Bezug auf Sex überhaupt kein bisschen ein "versautes Stück" ist (im Gegensatz zu dem, was Jessica Zeller in der Jungle World schreibt - die aber überhaupt sehr viel Halbgares und Blödes schreibt, so dass ich mich sehr geärgert habe - zum Beispiel die Story sei "dünn" und das Buch funktioniere nur als Provokation). Helen Memel ist vielmehr geradezu unschuldig in ihrer zugleich außerst tabulosen Ausübung der Sexualität. Unbefangen und ohne Verklemmungen erforscht sie jeden Winkel ihres eigenen Körpers und fremder Körper (unter anderem zu diesem Zweck besucht sie zum Beispiel Bordelle) und probiert aus, was man damit alles machen kann. Aber dabei spielt kein einziges Mal ein irgendwie geartetes Tabu, das gebrochen würde, der Ruch des Verbotenen, die Aufregung des Unmoralischen oder Ähnliches eine Rolle, was ja sonst gerade in der erotischen und pornographischen Literatur gerne aufgegriffen wird, um dadurch erst die gewünschte Erregung beim verklemmten Publikum zu erzielen. Hier dagegen geht es vor allem um die Neugier und äußerst ausgeprägte Phantasie von Helen Memel, der immer neue Dinge einfallen, die man mit all den schönen Körperteilen und -funktionen so anstellen kann - und die auch keine Hemmungen hat, all das auszuprobieren, was ihr so einfällt - auch (oder gerade), wenn es mit Schmerzen und Verletzungen verbunden ist. Und emanzipatorisch oder vielleicht auch feministisch ist das Buch genau deswegen, weil Helen sich in keiner Hinsicht etwas sagen lässt, sondern alles selbst ausprobieren will und sich dabei von keinerlei vorgegebenen Grenzen aufhalten lässt, ob Hygienenormen oder "gesunder Menschenverstand" (oder von fast keinen: das Nasepopeln hat sie in die Einsamkeit der abgeschlossenen Toilette verlegt, weil das ihre Freunde zu irritieren schien). Jedenfalls schämt sie sich nicht im geringsten dafür, dass sie Dinge erregend findet, die andere (oder gar die meisten) total eklig und abstoßend finden. Auch schön ist, dass Helens Sexualität in hohem Maße autoerotisch ist, sie masturbiert viel und mit Freude und experimentiert dabei - nicht nur mit Avokadokernen. Dieses ziemlich idiosynkratische Element von Helen Memels Sexualität, das ungehemmt ausgelebt wird, verbunden mit ihrer wissenschaftlichen Neugier, finde ich, ist das eigentlich Tolle und auch Emanzipatorische an dem Buch.
Alles in allem: von Helen Memel kann man viel lernen.