Dienstag, 23. Dezember 2008

Lesetipp

Ein Bericht des Public Interest Research Centre, erschienen vor rund einem Monat.

No screaming, no panic, no doom, no gloom. Just a short and simple summary of the latest climate science followed by a discussion of what we’re going to do about it.

Sonntag, 30. November 2008

Weathermen

Bis jetzt dachte ich, wir hätten bis 2030 Zeit, unseren CO2-Ausstoss um 90% zu senken, um zu verhindern, dass die Natur minus uns Menschen mehr CO2 ausstösst, als sie absorbiert. Laut Tim Flannery, einem prominenten Wissenschaftler und "Australier des Jahres", müssen wir Menschen womöglich schon in fünf Jahren anfangen, mehr CO2 zu absorbieren, als wir ausstossen. Falls uns das nicht gelingt, bleibe als Notlösung nur noch übrig, die Atmosphäre mit Schwefelpartikeln zu verpesten, um die Sonneneinstrahlung zu reduzieren. Das nennt man "global dimming". Wir werden uns an einen grünen Himmel gewöhnen müssen.

Ich denke, es ist nur noch eine Frage der Zeit bis Oekoterroristen anfangen, Flughäfen und Kohlekraftwerke in die Luft zu sprengen. Wieso fangen wir nicht damit an? Wir balancieren zwischen zwei Welten. In der einen Welt schreibe ich gerade eine Doktorarbeit über Brandoms Vernunfttheorie und leiste mir jedes Jahr einen interkontinentalen Flug. In der anderen Welt müssen wir alles geben, was wir haben, um zu verhindern, dass es in zwanzig oder dreissig Jahren keine Menschen mehr gibt. In der einen Welt mache ich mir Sorgen um Frauen und Karriere. In der anderen Welt habe ich nicht einmal Angst um mein Leben, das ich gerne hergeben würde, um dazu beizutragen, dass das Abenteuer Menschheit in dreissig Jahren nicht für immer vorbei ist. Was muss geschehen, damit wir endgültig in diese andere Welt umkippen?

Dienstag, 7. Oktober 2008

Bartwuchs für alle!

Hui, war ich schon lange nicht mehr hier online...
Ich versuche mal einen kleinen Neuanfang mit diesem bemerkenswerten Plakat, das ich heute entdeckte:

Die Frau-Mann-Transsexualität und das Dragkingdom sind offenbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir sehen hier eine durchaus hübsche, attraktive Frau vor uns, ausgestattet mit sehr regelmäßigem Bartwuchs und kräftigen Augenbrauen - da kann man als Mann ja fast neidisch werden.
Aber worin bestehen jetzt die unerwünschten Nebenwirkungen dieser Hormone - das ist mir unklar.

Freitag, 25. Juli 2008

Wozu hat man eigentlich einen Internetanschluss...

...wenn man nirgends ein Rezept für eine Gummibärchen-Pizza finden kann? Ich kann nicht glauben, dass noch niemand dafür ein Rezept erfunden und ins Internet gestellt hat! Das muss es doch geben!
Ich meine, es gibt ja sogar Rezepte für Knoblauchschokolade oder Erbseneis.

Montag, 30. Juni 2008

Organ des Pissens

Hier auf besonderen Wunsch von spit_Z als "Zitat der Woche" (haha) eine weniger prominente Stelle aus der "Phänomenologie des Geistes", in der Hegel verschiedene Aspekte des menschlichen Geistes mit verschiedenen Aspekten seines Schwanzes vergleicht:

"Das Tiefe, das der Geist von innen heraus, aber nur bis in sein vorstellendes Bewußtsein treibt und es in diesem stehen läßt - und die Unwissenheit dieses Bewußtseins, was das ist, was es sagt, ist dieselbe Verknüpfung des Hohen und Niedrigen, welche an dem Lebendigen die Natur in der Verknüpfung des Organs seiner höchsten Vollendung, des Organs der Zeugung, - und des Organs des Pissens naiv ausdrückt. - Das unendliche Urteil als unendliches wäre die Vollendung des sich selbst erfassenden Lebens, das in der Vorstellung bleibende Bewußtsein desselben aber verhält sich als Pissen."
G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Meiner Verlag, Hamburg 1988, S. 232/33

Donnerstag, 26. Juni 2008

Igitt, Fußball! Igitt, Deutsche!

Nachfolgend ein wirrer, assoziativer Gedankenstrom, der sich gestern durch mein Gehirn wand, während vor dem Fenster Menschenmassen mit deutschen Fahnen die Straße verstopften (siehe Video-Beweis unten) - und das in Kreuzberg! Gibt es denn keinen sicheren Ort mehr?:

Nicht dass die Fußball-EM es wirklich wert wäre, sich darüber aufzuregen - obwohl, eigentlich schon. Ich meine, WAS IST DAS? Was ist passiert? Was tun diese Leute da unten auf der Straße? die stundenlang, ja die ganze Nacht lang in ihren Autos sitzen, Fahnen schwenken und während sie in endlosen Staus stehen (leider vor meiner Haustür) pausenlos auf die Hupe drücken, gar Raketen abfeuern, winken und wedeln, rufen, gröhlen und vor allem: hupen, hupen, hupen. Und das ganze STUNDENLANG! Was ist passiert? Hab ich was verpasst? Ich meine, mein naives Intellektuellengehirn kriegt das nicht so richtig zusammen, wie man stundenlang enthusiastisch jubeln kann, irgendwann muss einem doch die Puste ausgehen, so ein kurzer Freudentanz, ok, aber stundenlang?? Ist das noch *real*? Oder ist das mehr so eine Art Leistungszwang: "Wir müssen jetzt durchhalten, die Ehre unserer Nation steht auf dem Spiel, sonst lachen die Türken uns aus, wenn wir jetzt nicht mindestens noch drei Stunden weiterhupen."

Demonstrativ einen SIEG zu feiern, während andere (in der Natur der Sache liegend) verloren haben: das ist sowieso barbarisch und natürlich auch völlig kindisch: "Bähbäh, ich hab gewonnen, und duu hast verloren, bähbäh, und das sage ich jetzt den ganzen Tag, damit du dich den ganzen Tag ärgerst. Und du kannst gar nicht sagen, dass es dir egal ist, weil ich dich die ganze Zeit damit nerven werde, so dass es dir nicht egal sein KANN, bähbäh!"
Oder noch schlimmer als kindisch, nämlich latent gewalttätig und Wir-gegen-die-Schema und böse usw. - eh klar. Das ist so offensichtlich und trotzdem machen alle mit, zumindest gucken alle mit.
Sich überhaupt über einen Sieg als Sieg an sich, nicht als Sieg für eine bestimmte Sache, die man wertschätzt, zu freuen, ist eigentlich komplett absurd - oder ist die Sache, um die es da unten geht, tatsächlich die deutsche Nation? Wo kommt nur dieses beschissene neue deutsche Wir-Gefühl her? Ist das nicht sogar schlimmer als vor zwei jahren bei der WM? Steigert sich das jetzt immer weiter, ist bei Olympia diesen Sommer womöglich Ähnliches zu befürchten?? Wann ist das eigentlich? Wo kann ich hinflüchten?

Waahh, ich verstehe ja schon nicht, wie man sich über etwas derart Dämliches wie den Sieg ein nationalen Fußballteams tatsächlich freuen kann, ich meine, so richtig freuen, als hätte man selbst etwas tolles erlebt oder erreicht... - das ist doch irgendwie seltsam: ganz NORMALE Leute, mit denen man zuvor noch über ganz normale Dinge geredet hat, die man beim Bäcker trifft oder in der U-Bahn, die man vielleicht SOGAR KENNT, ticken plötzlich völlig aus, entpuppen sich als komische Freaks, die sich bunte Farben ins Gesicht malen. Ein seltsames Sportereignis, das im Fernsehen kommt und mit bunt angezogenen Männchen zu tun hat, die über einen grünen Platz rennen, löst nie dagewesene Emotionen aus, Jubelschreie, genervte Ausrufe des Unmuts, Anteilnahme, Ärger, Wut, Euphorie - obwohl doch diese Spiel mit diesen Menschen keinerlei Verbindung hat! Ich meine, das sind ja Leute, deren Lebensinhalt besteht sonst auch nicht aus Fußball oder sonstigen Sportereignissen, die interessieren sich überhaupt nicht dafür, normalerweise - doch dann plötzlich packt sie der kollektive Wahnsinn.
Wie auf Kommando gerät die ganze Stadt (wahrscheinlich das ganze Land) in Aufregung und Menschen tanzen auf der Straße (!) als wäre Revolution oder Weltuntergang oder zumindest eine ordentliche Lohnerhöhung für alle. Ist aber nicht. Sondern der Anlass ist: ein Fußballspiel - ein F-U-S-S-B-A-L-L-S-P-I-E-L!

Wenn wenigstens jeder von diesen Verrückten da draußen einen EIGENEN bescheuerten und äußerlichen Anlass hätte, um grundlos freudige Emotionen in die Welt zu schreien: dass dieses Jahr ein Schaltjahr war oder dass der Nachrichtensprecher eine gestreifte Krawatte anhat oder so - aber dazu sind dann alle zu feige, das traut sich dann keiner, wenn nicht alle mitmachen. Es braucht halt den Anstoß von außen, die offizielle Erlaubnis, aus der Reihe zu tanzen und hemmungslos zu sein, weil sonst ist das ja vielleicht peinlich und außerdem käme man gar nicht auf die IDEE. Auf die Idee kommt man ja nur, weil alle das so machen, weil man das so macht, weil das von allen offiziellen Seiten propagiert und gehypet wird - Fussball-EM gucken schließlich alle - vom Manager über den Bundestagabgeordneten, zum Angestellten, Arbeiter, Schüler, Studenten - sogar Frauen! Warum abseits stehen? Warum SPIELVERDERBER und MIESMACHER sein? Warum als einziger traurig und schlechtgelaunt sein, wenn sich alle freuen (die gewonnen haben)? - Ist doch toll! Alle zusammen, freuen sich gemeinsam, weinen gemeinsam Freudentränen, singen Fußballieder - welch pathetisches und erhebendes Gefühl, ach jaaaa.....

WAAAAHHHHH!


Mit wackeliger Hand gefilmter Beweis des Grauens (zum Glück zu dunkel, um all die Menschen und all die Fahnen zu sehen)

Dienstag, 3. Juni 2008

Berliner Westen

Manchmal kommen einem ja schon Zweifel: ist das wirklich die richtige Stadt für mich?

Sonntag, 1. Juni 2008

Der Fluch der Nähmaschine

Die Firma Microsoft hat bekanntlich viel in das ehrgeizige Vorhaben investiert, den PC auf der Rangliste der meistbefluchten Haushaltsgeräte ganz weit nach oben zu bringen. Und zugegebenermaßen hat sie auf diesem Gebiet beeindruckende Erfolge erzielt. Da ist einiges geleistet worden, muss die Konkurrenz der Videorecorderproduzenten, Stereoanlagenbauer und Waschmaschinenhersteller neidvoll zugeben. Dabei wird gern vergessen, das Microsoft es nicht geschafft hat, ein simples und traditionsreiches Gerät vom ersten Platz zu verdrängen: die Nähmaschine. Generationen von (meistens) Frauen brachten ihre Zeit fluchend und vor Wut heulend vor Nähmaschinen zu. Sie förderten aus der Maschine gigantische, komplexe Faden- und Stoffverknäuelungen zu Tage, die sie dann von Hand in stundenlangen Prozeduren dicht unter Lampenschirmen klebend auftrennten. Dann wurde der lädierte Stoff erneut unter die Nähmaschine gelegt, und nach einigen stotternden und seltsam klappernden Geräuschen der Stoff komplett in die Maschine eingezogen, so dass diese aufgeschraubt werden musste und der Stoff in neuerlich stundenlanger Fitzelarbeit vorsichtig daraus entfernt werden. Und so weiter. Soweit ich erkennen kann, hat sich an diesem Sachverhalt in den letzten hundert Jahren nicht viel geändert. Die schwierigen Auftrenntechniken wurden von Generation zu Generation weitergegeben, weil sie für den Umgang mit der Nähmaschine essentiell waren und sind. Vor diesem Hintergrund ist es wirklich ein Wunder, dass tatsächlich Kleidungsstücke überhaupt existieren! Man muss sich einmal den Aufwand vorstellen, der in einem jeden von ihnen liegt!
Neuerdings haben Nähmaschinen eingebaute Computer mit Nähprogrammen, damit ist wahrscheinlich erneut ein für die PC-Branche unerreichbarer Vorsprung erzielt worden. Wenn Microsoft jetzt allerdings anfangen würde, Betriebssysteme für Nähmaschinen herzustellen, hätte zusammengefunden, was historisch eigentlich zwangsläufig zusammengehört.

Dienstag, 20. Mai 2008

Unheimliche Begegnung in der U-Bahn

Manchmal muss man sich schon sehr wundern, mit was für Leuten man ahnungslos in der U-Bahn sitzt. Man hielte es ja nicht für möglich, welch Abgründe sich in den Menschen verbergen, mit denen man tagtäglich die Verkehrsmittel teilt.

Der unscheinbare Mann neben mit hält einen e-mail-Ausdruck in den Händen und sucht etwas auf seinem Stadtplan. Auf dem Ausdruck ist zu lesen (ich weiß, das ist eigentlich unhöflich, fremder Leute Privatkorrespondenz mitzulesen, aber dann sollen sie mit der eben nicht neben mir in der U-Bahn rumwedeln):

"Hallo ihr Lieben,
wir haben gestern beschlossen, die Kundgebung des Dalai Lama mit unserer positiven Lach-Energie zu unterstützen ..."

Der etwas zerknautscht und ziemlich dröge aussehende Mann neben mir, er mag Ende 30 sein - ein fanatischer Lacher? Einer, der sich irgendwo hinstellt und dann einfach so lauthals zu lachen beginnt, womöglich minuten- oder gar stundenlang, wer weiß, um seine Umgebung mit "positiver Lach-Energie" zu überschütten?? Einer der in seiner Freizeit Lach-Workshops besucht? Oder jeden Morgen vor dem Spiegel Lach-Übungen macht, zur Entspannung der Gesichtsmuskulatur und für einen "positiven Start in den Tag"? Er sieht gar nicht fröhlich aus, eher ein bisschen apathisch und - man muss es sagen - dämlich. Aber womöglich muss man gar nicht fröhlich sein, um ein professioneller Lacher zu sein, vielleicht hat diese Lachenergie mit Fröhlichkeit überhaupt nichts zu tun? Gespenstisch. Da hatte man geglaubt, solche Leute müsste man an ihren hennagefärbten Haaren oder ihrer legeren Leinenkleidung erkennen, aber dieser Mann da, den man für einen Klempner oder Berufsbekleidungsfachgeschäftsverkäufer hätte halten können... - hoffentlich fängt er nicht jetzt hier in der U-Bahn an zu lachen, ich steig lieber mal schnell aus...

Samstag, 17. Mai 2008

Früchte der Moralphilosophie

"Happiness, I suggest, is the positive feeling we experience on account of our horizontally and vertically nonfragmentary perception or judgment of our actual life as going the way the descriptive aspect of our conception of a good life for us specifies."
(Kurt Baier: The Rational and the Moral Order. The Social Roots of Reason and Morality, Chicago and La Salle, Illinois: Open Court 1995, S. 147.)

Mittwoch, 14. Mai 2008

Bitte gehen sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.

Aus Mangel an sonstigen Ideen lasse ich euch mal an den Highlights meiner Schopenhauer-Lektüre teilhaben. Auch wenn das jetzt keine so großartigen Neuigkeiten sind, weil das bestimmt die meisten so ungefähr kennen - dennoch interessant, wo nicht albern oder sogar blöd, es im Originalwortlaut zu lesen:

Zuerst: gegen Hegel (das ist natürlich bei weitem nicht die einzige Stelle, aber dafür eine mit einem schönen Fremdwort):
"Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baaren Unsinns, im Zusammenschmieren sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der Nachwelt fabelhaft erscheinen und ein Denkmal Deutscher Niaiserie bleiben wird." (Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, Anhang, S.548.)

Das schöne Fremdwort bedeutet laut Duden übrigens dies:
Ni|ai|se|rie ‹lat.-vulgärlat.-fr.› die; -, ...ien: (veraltet) Albernheit, Dummheit, Einfältigkeit

Schopenhauers Begründung, warum das Judentum ein ungeeigneter Gegenstand der Kunst ist:

"Entschieden nachtheilig wirken historische Vorwürfe nur dann, wann sie den Maler auf ein willkürlich und nicht nach Kunstzwecken, sondern nach anderen gewähltes Feld beschränken, vollends aber wann dieses Feld an malerischen und bedeutenden Gegenständen arm ist, wenn es z.B. die Geschichte eines kleinen, abgesonderten, eigensinnigen, hierarchisch d.h. durch Wahn beherrschten, von den gleichzeitigen großen Völkern des Orients und Occidents verachteten Winkelvolks ist, wie die Juden." (Ibid., §48, S. 309 f.)

Schopenhauer plaidiert für den Beinahe-Nudismus (für "sehr schöne" Menschen):

"Nämlich, wie die schöne Körperform bei der leichtesten, oder bei gar keiner Bekleidung am vortheilhaftesten sichtbar ist, und daher ein sehr schöner Mensch, wenn er zugleich Geschmack hätte und auch demselben folgen dürfte, am liebsten beinahe nackt, nur nach Weise der Antiken bekleidet, gehen würde; - ebenso nun wird jeder schöne gedankenreiche Geist sich immer auf die natürlichste, unumwundenste, einfachste Weise ausdrücken, bestrebt, wenn es irgend möglich ist, seine Gedanken Andern mitzutheilen, um dadurch die Einsamkeit, die er in einer Welt wie diese empfinden muß, sich zu erleichtern [...]" (Ibid., §47, S. 306.)

- Was meint er überhaupt mit "nach Weise der Antiken"? Togen? Und das soll unter "beinahe nackt" fallen? - Da hat der Nudismus doch gewisse Forschritte gemacht seit Schopenhauer.

Und zuletzt, warum der Mensch eine opportunistische und verlogene Decksau ist und Bescheidenheit eine blöde Tugend:

"Zwar lassen auch die Plattesten die anerkannt großen Werke auf Autorität gelten, um nämlich ihre eigene Schwäche nicht zu verrathen: doch bleiben sie im Stillen stets bereit, ihr Verdammungsurtheil darüber auszusprechen, sobald man sie hoffen läßt, daß sie es können, ohne sich bloß zu stellen, wo dann ihr lang verhaltener Haß gegen alles Große und Schöne, das sie nie ansprach und eben dadurch demüthigte, und gegen die Urheber desselben, sich freudig Luft macht. Denn überhaupt um fremden Werth willig und frei anzuerkennen und gelten zu lassen, muß man eigenen haben. Hierauf gründet sich die Nothwendigkeit der Bescheidenheit bei allem Verdienst, wie auch der unverhältnißmäßig laute Ruhm dieser Tugend, welche allein, aus allen ihren Schwestern, von Jedem der es wagt einen irgendwie ausgezeichneten Mann zu preisen, jedenmal seinem Lobe angehängt wird, um zu versöhnen und den Zorn der Werthlosigkeit zu stillen. Was ist denn die Bescheidenheit Anderes, als geheuchelte Demuth, mittelst welcher man, in einer von niederträchtigem Neide strotzenden Welt, für Vorzüge und Verdienste die Verzeihung Derer erbetteln will, die keine haben? Denn wer sich keine anmaaßt, weil er wirklich keine hat, ist nicht bescheiden, sondern nur ehrlich." (Ibid., §49, S. 312 f.)

(Zitiert nach: Artur Schopenhauers Werke in fünf Bänden. Nach den Ausgaben letzter Hand, hrsg. von Ludger Lütkehaus,
Zürich: Haffmanns 1988)

Donnerstag, 1. Mai 2008

Am 2. Mai aufstehen für die Faulheit




Nachtrag: Aus eigener Anschauung (und Teilnahme) kann ich berichten, dass die Demonstration ein voller Erfolg war! Der Veranstalter konnte noch während der "machtvollen Manifestation" von demonstrierenden Millionen in Tokio und Potsdam berichten. Die engagierten Demonstranten in Berlin skandierten tolle Slogans wie: "Mein Freund ist Roboter!", "Wir sind nicht alle, es fehlen die, die arbeiten!" oder "Wir haben Zeit!". Ein erfolgreicher 4. internationaler Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen!

P.S. Noch viel schönere Photos gibt es hier.

Mittwoch, 30. April 2008

Kommunistische Umwälzung in Berlin geht in eine neue Phase

Bereits am Vortag des revolutionären 1. Mai versammelte sich ein radikaler Mob, um die Einweihung der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin mit einer gewaltsamen Demonstration zu feiern. Es kam zu bürgerkriegsähnlichen Szenen, zahlreiche Polizisten wurden von umherfliegenden taz-Anstecknadeln verletzt...

...als der Redner auf dem dunkelroten Lautsprecherwagen ins Mikrofon brüllte: "Wir haben jetzt eine Rudi-Dutschke-Straße! Aber EINE Rudi-Dutschke-Straße reicht uns nicht!! Wir wollen mehr! Wir fordern alles! Überall auf der Welt muss es Rudi-Dutschke-Straßen geben!! Der Kampf geht weiter!! Für ein Recht auf Rudi-Dutschke-Straßen überall!!"

Diese und ähnlich umstürzlerische Slogans skandierte eine fanatisierte Masse von Endvierzigern begeistert mit und begann, ekstatisch im Rhythmus der fremdartigen Klänge zu wackeln und zu schwabbeln, die die militante HipHop-Band auf dem Wagen erzeugte. Bordeauxrote Halstücher flatterten bedrohlich in der aufgeheizten Atmosphäre, Handtaschen hüpften auf den üppigen Hüften der modisch bebrillten Frauen, und jetzt gab es kein Halten mehr. Die engagierten Autonomen in unbescholtener-Bürger-Verkleidung rannten mit Papier und Filzstiften bewaffnet in alle Richtungen, und überklebten sämtliche Straßenschilder im Umkreis von einigen Kilometern.

Die actimelgestärkte Polizei war mit ihren Schlagstöcken völlig hilflos angesichts der Entschlossenheit und Aggressivität der Randalierer. Insgesamt wurde ein Sachschaden in Höhe von mehreren Tausend Millionen Euro angerichtet. Es wird wohl mehrere Wochen dauern, bis alle Straßenschilder wieder korrigiert sind - freiwillige Helfer sollen sich beim Amt für öffentliche Ordnung in der Rudi-Dutschke-Str. 36 melden. Ob es militanten Dutschkisten in der kommenden Walpurgisnacht gelingen wird, Reichstag oder Kanzleramt zu besetzen, oder doch wenigstens Zahnpasta auf die Türklinken zu schmieren, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen.

Donnerstag, 17. April 2008

Montag, 7. April 2008

Hab ich's doch geahnt! Kaffee macht müde!

Und ich dachte schon, das wäre eine ganz seltsame physiologische Besonderheit bei mir, dass ich von Kaffee müde statt wach werde, aber hier in der Wikipedia steht es und bestätigt mich:

"Kaffee hat eine zunächst beruhigende Wirkung. In der Praxis ist es bekannt, dass man besser einschläft, wenn man sich in den ersten 15 Minuten nach dem Kaffeetrinken hinlegt, weil das Schlafzentrum im Gehirn besser durchblutet wird.
Zögert man jedoch zu lange, verpasst man die beruhigende Wirkung vom Kaffee und das Koffein fängt an zu wirken; nun ist es fast unmöglich einzuschlafen. Diese Methode der Beruhigung wird z. B. in Krankenhäusern angewandt. Bei älteren Menschen bekämpft Kaffee den Abfall der Atemfrequenz beim Einschlafen, was deren Schlafqualität verbessern kann."

Aha! Zwar hatte ich nicht den Eindruck, dass ich dann nach 15 Minuten plötzlich wach werde, aber immerhin, es ist mir zu einem geringeren Anteil rätselhaft als zuvor. Es klingt so, als würde diese beruhigende Wirkung nicht auf das Koffein zurückgehen. Vielleicht ist es doch mal an der Zeit, die Gewohnheit auf eine wirkungsvollere Alternative umzupolen...
Hat hier jemand gute Erfahrungen mit Koffeintabletten? Oder anderen tollen Dingen, die der Konzentration förderlich sind?

Freitag, 28. März 2008

Kampf dem antiislamischen Rassismus!

Der niederländische Parlamentsabgeordnete Geert Wilders hat, wie der eine oder die andere schon erfahren haben könnte, unlängst einen umstrittenen Film unter dem Titel "Fitna" veröffentlicht. Herr Wilders ist bekanntlich ein Rechtspopulist mit sehr schlechter Frisur, und sein Film firmiert als "islamkritisch". Wer daher, wie ich, tatsächlich kritisch denkt und noch nicht total verblödet ist von der allgegenwärtigen antiislamischen Hetze, dem ist bereits vor dem Sehen von "Fitna" klar, dass es sich hierbei um ein rassistisches, Hass schürendes und daher die Meinungsfreiheit untergrabendes Machwerk handelt. Dies hat sehr treffend z.B. tagesschau-Korrespondent Markus Preiß festgestellt. Denn eines ist ja bekannt: dass nämlich der Islam eine, wenn nicht die Religion des Friedens ist. "Islam" heißt ja (wenn auch nicht richtig) übersetzt Frieden - der Islam hat den Frieden überhaupt erfunden! Daran ändern auch einige von Wilders sinnentstellend aus dem Zusammenhang gerissene Koranzitate nichts, die der Möchtegern-Volksverhetzer empörenderweise nicht nur im arabischen Original, sondern auch in einer niederländischen bzw. englischen Übersetzung (!!!) präsentiert. Eine extreme Provokation für alle gläubigen Muslime, die bekanntlich glauben, dass jede Zeile des Koran, als von Gott direkt offenbart, heilig ist und daher unter keinen Umständen übersetzt oder sonstwie verändert werden darf.

Wilders infamer Film geht sehr eigenwillig mit der Realität um, er setzt auf Ressentiment anstatt auf Fakten. Emotional aufgeladene Ereignisse wie die Tragödie des 11. September oder der Tod von Theo van Gogh werden assoziativ in einen Zusammenhang mit dem Islam gestellt, obwohl dieser - nüchtern betrachtet - mit den genannten Unglücksfällen gar nichts zu tun hat. Hierdurch soll Hass auf alle Moslems geschürt werden. Diese Propaganda ist extrem rassistisch: es wird suggeriert, die islamische Rasse sei genetisch zur Barbarei determiniert, und somit indirekt zu Zwangssterilisationen und Massenmord aufgerufen. Das medial konstruierte Bild des gewalttätigen Moslems ist nur vergleichbar mit dem antisemitischen Bild der "Judensau". Gewalt ist den Moslems ebenso unheilig wie den Juden das Schwein. So soll in beiden Fällen die äußerste Erniedrigung und Provokation erzielt werden, indem man einmal Moslems, das anderemal Juden mit dem identifiziert, was sie am meisten verabscheuen. Was Menschen wie Geert Wilders in ihrer dummdreisten Propaganda unterschlagen, ist die Tatsache, dass ein Mörder, der zufällig und nebenbei auch Moslem ist, den Islam nicht zu einer mörderischen Religion macht; ein Moslem dagegen, der in aller Regel niemanden umbringt, nicht einmal seine eigene Schwester, beweist sehr wohl, dass der Islam eine friedliche, moderne, ja liebenswerte und an Freunde und Bekannte weiterzuempfehlende Religion ist. Geben wir es ruhig zu: Der Islam ist sexy, Mohammed ist der Che Guevara, der James Dean, der Jesus unserer Zeit. Nicht länger dürfen wir unser Verlangen, unsere Liebe, unser pulsierendes Begehren verleugnen. Die Islamophobie wurzelt, ähnlich wie die Homophobie, in der hartnäckigen Verdrängung der eigenen islamischen Veranlagung.

Der Islam ist ein wenig wie das Megalos der ARD-Fernsehlotterie: Er will alle Menschen glücklich machen. Nur dass das Los nicht vor der Hölle schützt! (Kleiner Scherz am Rande.) Wer eine so ungewöhnlich friedliebende Religion derart grotesk beleidigt wie Wilders, muss sich über entsprechende Reaktionen nicht wundern. Zurecht zeigen sich selbst in unserer so islamophob eingestellten Medienwelt einige besonnene, aber auch scharfsinnige und durchaus humorvolle Geister zutiefst besorgt (die etwa den so naheliegenden wie dringend nötigen Hinweis einbringen, dass die Suren des Koran für die muslimische Welt einerseits und islamistische Anschläge andererseits etwa dieselbe Bedeutung haben wie "Zitate aus der feministischen Literatur oder so" für "Deutschland" bzw. die dortigen "Kindermorde der letzten Zeit"). Denn durch sein amoralisches, menschenverachtendes und vollkommen verantwortungsloses Handeln könnte Wilders die Meinungsfreiheit gefährden oder gar Gewalt auslösen. Sollte ihm dies gelingen, wäre es ein weiterer Schritt zur Stigmatisierung, Ausgrenzung, Diskriminierung und - in letzter Konsequenz - physischen Vernichtung aller Muslime. Dass sich innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung von "Fitna" im Internet vom niederländischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende bis zu UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zahlreiche politische Verantwortungsträger über den Film lautstark empört haben, macht Hoffnung. Zwar beschert es Geert Wilders, der genau wie Hitler und George W. Bush mit Hass Politik machen will, eben die Aufmerksamkeit, die er wollte; doch andererseits stehen die Reaktionen in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß des Zivilisationsbruchs, den sein Film darstellt. Die friedliebende, nicht islamophob-rassistisch eingestellte Minderheit in der westlichen Welt muss jetzt Zivilcourage zeigen und die Rechte der Muslime ebenso wie die Meinungsfreiheit und das einhellige Zusammenleben der Angehörigen der drei abrahamitischen Rassen verteidigen. Es gibt Grenzen der Toleranz - gegenüber unverbesserlichen Irren und Gewaltfanatikern wie Geert Wilders ist Appeasement keine Option. Wir müssen ein Zeichen setzen. Die Muslime dürfen nicht länger zur Notwehr gezwungen werden! Daher sollten wir es diesmal besser machen als bei Theo van Gogh und, als ein Zeichen des guten Willens an die muslimische Welt, Geert Wilders selbst zur Rechenschaft ziehen, anstatt einen pazifistischen Moslem die Drecksarbeit machen zu lassen. Friedensbewegung, jetzt ist die Zeit, tätig zu werden!

Freitag, 14. März 2008

Analfissur und Hämorrhoiden (- mit neuem Nachtrag!!!)

Natürlich wissen jetzt schon wieder alle, worum es geht. Denn ich bin ja immer ein wenig hinterher und erlange meine Erkenntnisse aus zweiter oder dritter Hand, wenn es eh schon alle wissen.
Aber egal. Ich fahre jedenfalls für eine Woche in Urlaub zu meiner heiß geschätzten und hoch geliebten Verwandschaft, und nehme ihr wisst schon welches Buch mit als Reiselektüre (neben dem allgegenwärtigen Hegel, versteht sich) - genau: "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche. Und das verspricht unterhaltsam zu werden, schließlich geht es um eine junge Frau mit blumenkohlförmigen Hämorrhoiden, die sich bei der Porasur in die Rosette schneidet, deswegen ins Krankenhaus kommt sich dort "mit ihrem Körper untenrum vorne und untenrum hinten beschäftigen" muss - weil Charlotte Roche es so will. Das ganze soll so eine Art Anti-Hygienefimmel-Porno sein und ich bin schon sehr gespannt.
Genauere Erläuterungen dazu gibt's hier und hier und eine rührende Analsex-Story von Roger Willemsen hier. Aber was sag ich, kennt ihr ja alles schon.

Nachtrag vom 29. 03. 2008:

Ich weiß natürlich, dass ihr alle ganz furchtbar neugierig seid und unbedingt wissen wollt, wie be nun diesen ominösen "Vivamoderatorinnenroman" fand! Und das will ich euch auch auf keinen Fall vorenthalten!

Hier meine äußerst differenzierte Beurteilung:
Gesamturteil: Sehr gut (1,3)
Sprachliche Qualität: Gut (2,0)
Formaler Aufbau: Gut (2,3)
Inhalt: Sehr gut (1,3)
Konsequenz der Ausführung: Sehr gut (1,0)
Wichsfaktor (Skala von null bis fünf): 2,5
Ekelfaktor: je nach Robustheit des Lesers (ich hörte von Frauen, die das Buch schon in der Mitte angewidert zur Seite legten); in meinem Fall: 2
Ekelhöhepunkte: Kotze (von zwei Menschen) wird (von diesen zwei Menschen) aus einem Eimer getrunken, blutige Tampons werden in Fahrstühlen abgelegt, Mineralwasser wird im Mund gegurgelt und in die Flasche zurückgespuckt um es hernach Gästen anzubieten, mit einer grillgut- und rußbehafteten Grillzange wird ein Tampon aus der Vagina geholt (und die Zange danach ungewaschen zurückgelegt), auf verdreckten Bahnhofstoilettensitzen wird extra einmal mit der Muschi herumgewischt, um die Angst der Hygienefanatiker vor Krankheiten ad absurdum zu führen, es wird in der Nase gepopelt und das zu Tage geförderte sodann gegessen, ebenso werden Hautkrusten und ausgedrückte Pickel verspeist - und das alles von der Hauptfigur des Buches, der 18-jährigen Helen Memel, die das natürlich überhaupt nicht eklig findet, sondern vielmehr toll und teilweise sogar erregend.
Autoerotikfaktor: sehr hoch

Urteilsbegründung:
Auch wenn das Buch literarische Schwächen haben mag (die so groß allerdings auch nicht sind, finde ich), ist die Hauptfigur Helen Memel einfach klasse erfunden. Sie ist nämlich äußerst konsequent. Konsequent in ihrer Abneigung gegen Hygienevorschriften, die ihr von verklemmten Leuten (besonders ihrer Mutter) gemacht werden, die ständig betonen, dass Hygiene ungemein wichtig ist und dass man krank wird, wenn man nicht peinlich genau darauf achtet. Und dass überhaupt alles ganz furchtbar peinlich und eklig ist, was von den Hygienevorstellungen abweicht, die vor allem darin bestehen, dass sämtliche Körperausscheidungen, -gerüche und -flüssigkeiten bäh sind und dashalb ständig weggeputzt und überdeckt und versteckt werden müssen, wenn sie denn schon vorhanden sein müssen. Das Schöne an dem Buch ist, dass Helen Memel ungemein konsequent gegen diese Auffassungen angeht und mit wissenschaftlichem Eifer die Hygienemythen zu widerlegen trachtet. Deswegen reicht es nicht, dass sie sich auf die Klobrillen öffentlicher Toiletten draufsetzt, nein sie wischt noch einmal extra mit der Muschi die Brille entlang, um endgültig zu beweisen, dass man davon nicht krank wird. Der andere schöne Zug an Helen Memel (und Charlotte Roches Roman) ist der, dass sie in Bezug auf Sex überhaupt kein bisschen ein "versautes Stück" ist (im Gegensatz zu dem, was Jessica Zeller in der Jungle World schreibt - die aber überhaupt sehr viel Halbgares und Blödes schreibt, so dass ich mich sehr geärgert habe - zum Beispiel die Story sei "dünn" und das Buch funktioniere nur als Provokation). Helen Memel ist vielmehr geradezu unschuldig in ihrer zugleich außerst tabulosen Ausübung der Sexualität. Unbefangen und ohne Verklemmungen erforscht sie jeden Winkel ihres eigenen Körpers und fremder Körper (unter anderem zu diesem Zweck besucht sie zum Beispiel Bordelle) und probiert aus, was man damit alles machen kann. Aber dabei spielt kein einziges Mal ein irgendwie geartetes Tabu, das gebrochen würde, der Ruch des Verbotenen, die Aufregung des Unmoralischen oder Ähnliches eine Rolle, was ja sonst gerade in der erotischen und pornographischen Literatur gerne aufgegriffen wird, um dadurch erst die gewünschte Erregung beim verklemmten Publikum zu erzielen. Hier dagegen geht es vor allem um die Neugier und äußerst ausgeprägte Phantasie von Helen Memel, der immer neue Dinge einfallen, die man mit all den schönen Körperteilen und -funktionen so anstellen kann - und die auch keine Hemmungen hat, all das auszuprobieren, was ihr so einfällt - auch (oder gerade), wenn es mit Schmerzen und Verletzungen verbunden ist. Und emanzipatorisch oder vielleicht auch feministisch ist das Buch genau deswegen, weil Helen sich in keiner Hinsicht etwas sagen lässt, sondern alles selbst ausprobieren will und sich dabei von keinerlei vorgegebenen Grenzen aufhalten lässt, ob Hygienenormen oder "gesunder Menschenverstand" (oder von fast keinen: das Nasepopeln hat sie in die Einsamkeit der abgeschlossenen Toilette verlegt, weil das ihre Freunde zu irritieren schien). Jedenfalls schämt sie sich nicht im geringsten dafür, dass sie Dinge erregend findet, die andere (oder gar die meisten) total eklig und abstoßend finden. Auch schön ist, dass Helens Sexualität in hohem Maße autoerotisch ist, sie masturbiert viel und mit Freude und experimentiert dabei - nicht nur mit Avokadokernen. Dieses ziemlich idiosynkratische Element von Helen Memels Sexualität, das ungehemmt ausgelebt wird, verbunden mit ihrer wissenschaftlichen Neugier, finde ich, ist das eigentlich Tolle und auch Emanzipatorische an dem Buch.
Alles in allem: von Helen Memel kann man viel lernen.

Freitag, 29. Februar 2008

Gehirn flüssig, Sperma schleimig

Vielleicht hätte ich doch auf einen Bekannten von mir hören sollen, der mich einst warnte, zuviel Hegel-Lektüre könne sich auf die geistigen Fähigkeiten ungünstig auswirken. Er sagte: "Hegel macht dein Hirn matschig." Ich meinte damals in meinem grenzenlosen jugendlichen Leichtsinn, sorglos diese Warnung in den Wind schlagen zu können. Doch jetzt muss ich einsehen, dass er wohl recht hatte. Seit Wochen und Monaten schon stelle ich eine schleichende Erweichung unter der Schädeldecke fest ("Wie kann sie das feststellen?", wird der Leser fragen, aber auf derartige Feinheiten kann hier aus Platzgründen leider nicht eingegangen werden) - gepaart mit außerordentlicher Unlust, mich auf konzentrierte Tätigkeit einzulassen. Alles löst sich in eine schwindelerregende "dialektische" Bewegung auf, die am Ende keinerlei Festigkeit zurücklässt und mich unfähig und untätig mit Kopfschmerzen in der Ecke liegend (flüssig). Ja, das ist es, was die gefährliche Hegelei mit einem anstellt! Kinder, lasst bloß die Finger davon!



Abb. 1: bes Gehirn nach der Hegel-Lektüre


Dennoch habe ich kürzlich eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht, die von äußerst großer Tragweite ist. Eigentlich habe ich diese Entdeckung schon vor einer ganzen Weile gemacht, noch "vor Hegel" (obwohl die Natur dieser Entdeckung gewisse Zweifel daran erlaubt, ob mein Geist damals noch gänzlich frei von der Hegelschen Verflüssigung war), doch erst jetzt ist die Zeit reif, sie der Weltöffentlichkeit bekannt zu machen!
Diese Entdeckung ist von äußerster Bedeutung für unser aller tägliches Leben, sie betrifft unsere Existenz in ihren grundlegendsten Verrichtungen (Essen, Sex und Zähneputzen). Ich machte diese Entdeckung fast zufällig, und ihre Bedeutung war mir nicht sofort klar, doch inzwischen bin ich mir sicher, dass sie große Veränderungen herbeiführen wird. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass jemals irgendjemand vor mir diese erstaunliche Tatsache festgestellt hat, einfach weil sie zu offensichtlich ist:

Die Entdeckung betrifft die Natur der menschlichen Geschmacksnerven:

Nämlich:

MAN SCHMECKT NUR ETWAS, WENN DIE GESCHMACK ERZEUGENDE SUBSTANZ AUF DER ZUNGE BEWEGT WIRD! Geschmack bedeutet Bewegung!! Wenn man dagegen einen schmackhaften Gegenstand lediglich ruhig auf der Zunge liegen hat, ohne dass er bewegt wird, DANN SCHMECKT MAN AUCH NICHTS! Hegel hatte recht! Das Absolute ist Bewegung, nichts existiert außer der Bewegung!
Wie, so werden die Leser ungläubig fragen, kann sie nur diese unwahrscheinliche und revolutionäre Entdeckung gemacht haben? Ja, WIE? Ich werde es euch verraten: Ich machte sie - es ist wirklich wahr - beim Oralsex. Abb.2: bes haarige Zunge

Das klingt jetzt natürlich, als würde ich mutwillig schlüpfrige Anekdoten unterbringen, um Aufmerksamkeit zu erheischen, aber so ist es nicht! Schließlich muss seriöse Wissenschaft auch den Mut haben, die Quellen ihrer Entdeckungen ohne Tabus freizulegen!
Also, es ist ja bekanntlich so, dass Sperma nicht in jedem Fall ganz unbedingt wie eine ausgesprochene Delikatesse schmeckt (das ist jedenfalls der Stand meiner Beobachtung). Sondern eher manchmal so ein klein wenig nicht ganz so lecker, sondern bitter und komisch eiweißig (und be mag bekanntlich keine Eier). Jedenfalls ohne die entsprechende Zubereitung und Würzung. Und eines Tages machte ich die überraschende Entdeckung, dass ich von dem Sperma rein gar nichts schmeckte, solange ich es nicht auf der Zunge bewegte.




Abb.3: be in jungen Jahren beim Zähneputzen

Soviel zu meiner wissenschaftlichen Sensation. Ich denke, die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Äußerst vielfältig. So vielfältig, dass es sich eigentlich erübrigt, einzelne aufzuzählen, wie etwa die Erfindung eines Mechanismus, der schlechtschmeckende, aber zum Beispiel vielleicht möglicherweise gesunde Nahrung in stetigen Intervallen über die Zunge transportiert, so dass sie sich zu jedem einzelnen Zeitpunkt in Ruhe befindet, und also keine Bewegung stattfindet - etwa so, wie sich Zenon das in seinen Bewegungs-Paradoxa vorstellte. Dafür müsste vermutlich nur die Natur der Raumzeit verändert werden.

Dienstag, 12. Februar 2008

Hegel elitär für alle

Warum nicht mal wieder (nach ungefähr mehreren Monaten) ein "Zitat der Woche"! Schließlich soll die vermaledeite Hegel-Lektüre, mit der ich gerade beschäftigt bin, auch zu was gut sein. Wenn ich schon von der "Phänomenologie" nicht viel verstehe, dann dafür umso besser diese Stelle aus dem kurzen Aufsatz "Wer denkt abstrakt?" von 1807 - eine sehr treffende Darstellung, wie ich finde:

"Alte, ihre Eier sind faul, sagt die Einkäuferin zur Hökersfrau. Was, entgegnet diese, meine Eier faul? Sie mag mir faul sein! Sie soll mir das von meinen Eiern sagen? Sie? Haben ihren Vater nicht die Läuse an der Landstraße aufgefressen, ist nicht ihre Mutter mit den Franzosen fortgelaufen und ihre Großmutter im Spital gestorben, - schaff sie sich für ihr Flitterhalstuch ein ganzes Hemd an; man weiß wohl, wo sie dies Halstuch und ihre Mützen her hat; wenn die Offiziere nicht wären, wär jetzt manche nicht so geputzt, und wenn die gnädigen Frauen mehr auf ihre Haushaltung sähen, säße manche im Stockhause, - flick sie sich nur die Löcher in den Strümpfen! - Kurz, sie läßt keinen guten Faden an ihr. Sie denkt abstrakt und subsumiert sie nach Halstuch, Mütze, Hemd usf. wie nach den Fingern und anderen Partien, auch nach [dem] Vater und der ganzen Sippschaft, ganz allein unter das Verbrechen, daß sie die Eier faul gefunden hat; alles an ihr ist durch und durch mit diesen faulen Eiern gefärbt, dahingegen jene Offiziere, von denen die Hökersfrau sprach - wenn anders, wie sehr zu zweifeln, etwas daran ist -, ganz andere Dinge an ihr zu sehen bekommen mögen."

Das Aufsatz ist wirklich sehr kurz, den könnte ja jeder mal schnell lesen, falls er Lust hat. Weil er so kurz ist, zitiere ich einfach den ganzen Aufsatz hier mal (das ist bestimmt total illegal) - als Service an der philosophischen Bildung des Lesers:

WER DENKT ABSTRAKT?1)
[1807]
Denken? Abstrakt? - Sauve qui peut! Rette sich, wer kann! So höre ich schon einen vom Feinde erkauften Verräter ausrufen, der diesen Aufsatz dafür ausschreit, daß hier von Metaphysik die Rede sein werde. Denn
Metaphysik ist das Wort, wie abstrakt und beinahe auch Denken, ist das Wort, vor dem jeder mehr oder minder wie vor einem mit der Pest Behafteten davonläuft.
Es ist aber nicht so bös gemeint, daß, was denken und was abstrakt sei, hier erklärt werden sollte. Der schönen Welt ist nichts so unerträglich als das Erklären. Mir selbst ist es schrecklich genug, wenn einer zu erklären anfängt, denn zur Not verstehe ich alles selbst. Hier zeigte sich die Erklärung des Denkens und des Abstrakten ohnehin schon als völlig überflüssig; denn gerade nur, weil die schöne Welt schon weiß, was das Abstrakte ist, flieht sie davor. Wie man das nicht begehrt, was man nicht kennt, so kann man es auch nicht hassen.
Auch wird es nicht darauf angelegt, hinterlistigerweise die schöne Welt mit dem Denken oder dem Abstrakten versöhnen zu wollen; etwa daß unter dem Scheine einer leichten Konversation das Denken und das Abstrakte eingeschwärzt werden sollte, so daß es unbekannterweise, und ohne eben einen Abscheu erweckt zu haben, sich in die Gesellschaft eingeschlichen [hätte] und gar von der Gesellschaft selbst unmerklich hereingezogen oder, wie die Schwaben sich ausdrücken, hereingezäunselt worden wäre und nun der Autor dieser Verwicklung diesen sonst fremden Gast, nämlich das Abstrakte, aufdeckte, den die ganze Gesellschaft unter einem anderen Titel als einen guten Bekannten behandelt und anerkannt hätte. Solche Erkennungsszenen, wodurch die Welt wider Willen belehrt werden soll, haben den nicht zu entschuldigenden Fehler an sich, daß sie zugleich beschämen und der Machinist sich einen kleinen Ruhm erkünsteln wollte, so daß jene Beschämung und diese Eitelkeit die Wirkung aufheben, denn sie stoßen eine um diesen Preis erkaufte Belehrung vielmehr wieder hinweg.
Ohnehin wäre die Anlegung eines solchen Planes schon verdorben; denn zu seiner Ausführung wird erfordert, daß das Wort des Rätsels nicht zum voraus ausgesprochen sei. Dies ist aber durch die Aufschrift schon geschehen; in dieser, wenn dieser Aufsatz mit solcher Hinterlist umginge, hätten die Worte nicht gleich von Anfang auftreten dürfen, sondern, wie der Minister in der Komödie, das ganze Spiel hindurch im Überrocke herumgehen und erst in der letzten Szene ihn aufknöpfen und den Stern der Weisheit herausblitzen lassen müssen. Die Aufknöpfung eines metaphysischen Überrocks nähme sich hier nicht einmal so gut aus wie die Aufknöpfung des ministeriellen, denn was jene an den Tag brächte, wäre weiter nichts als ein paar Worte; denn das Beste vom Spaße sollte ja eigentlich darin liegen, daß es sich zeigte, daß die Gesellschaft längst im Besitze der Sache selbst war; sie gewänne also am Ende nur den Namen, dahingegen der Stern des Ministers etwas Reelleres, einen Beutel mit Geld, bedeutet.
Was Denken, was abstrakt ist - daß dies jeder Anwesende wisse, wird in guter Gesellschaft vorausgesetzt, und in solcher befinden wir uns. Die Frage ist allein danach, wer es sei, der abstrakt denke. Die Absicht ist, wie schon erinnert, nicht die, sie mit diesen Dingen zu versöhnen, ihr zuzumuten, sich mit etwas Schwerem abzugeben, ihr ins Gewissen darüber zu reden, daß sie leichtsinnigerweise so etwas vernachlässige, was für ein mit der Vernunft begabtes Wesen rang- und standesgemäß sei. Vielmehr ist die Absicht, die schöne Welt mit sich selbst darüber zu versöhnen, wenn sie sich anders eben nicht ein Gewissen über diese Vernachlässigung macht, aber doch vor dem abstrakten Denken als vor etwas Hohem einen gewissen Respekt wenigstens innerlich hat und davon wegsieht, nicht weil es ihr zu gering, sondern weil es ihr zu hoch, nicht weil es zu gemein, sondern zu vornehm, oder umgekehrt, weil es ihr eine Espèce, etwas Besonderes zu sein scheint, etwas, wodurch man nicht in der allgemeinen Gesellschaft sich auszeichnet, wie durch einen neuen Putz, sondern wodurch man sich vielmehr, wie durch ärmliche Kleidung oder auch durch reiche, wenn sie auch aus alt gefaßten Edelsteinen oder einer noch so reichen Stickerei besteht, die aber längst chinesisch geworden ist, von der Gesellschaft ausschließt oder sich darin lächerlich macht.
Wer denkt abstrakt? Der ungebildete Mensch, nicht der gebildete. Die gute Gesellschaft denkt darum nicht abstrakt, weil es zu leicht ist, weil es zu niedrig ist, niedrig nicht dem äußeren Stande nach, nicht aus einem leeren Vornehmtun, das sich über das wegzusetzen stellt, was es nicht vermag, sondern wegen der inneren Geringheit der Sache.
Das Vorurteil und die Achtung für das abstrakte Denken ist so groß,
daß feine Nasen hier eine Satire oder Ironie zum voraus wittern werden; allein, da sie Leser des Morgenblattes2) sind, wissen sie, daß auf eine Satire ein Preis gesetzt ist und daß ich also ihn lieber zu verdienen glauben und darum konkurrieren als hier schon ohne weiteres meine Sachen hergeben würde.
Ich brauche für meinen Satz nur Beispiele anzuführen, von denen jedermann zugestehen wird, daß sie ihn enthalten. Es wird also ein Mörder zur Richtstätte geführt. Dem gemeinen Volke ist er nichts weiter als ein Mörder. Damen machen vielleicht die Bemerkung, daß er ein kräftiger, schöner, interessanter Mann ist. Jenes Volk findet die Bemerkung entsetzlich: was, ein Mörder schön? wie kann [man] so schlecht denkend sein und einen Mörder schön nennen; ihr seid auch wohl etwas nicht viel Besseres! Dies ist die Sittenverderbnis, die unter den vornehmen Leuten herrscht, setzt vielleicht der Priester hinzu, der den Grund der Dinge und die Herzen kennt.
Ein Menschenkenner sucht den Gang auf, den die Bildung des Verbrechers genommen, findet in seiner Geschichte schlechte Erziehung, schlechte Familienverhältnisse des Vaters und der Mutter, irgendeine ungeheure Härte bei einem leichteren Vergehen dieses Menschen, die ihn gegen die bürgerliche Ordnung erbitterte, eine erste Rückwirkung dagegen, die ihn daraus vertrieb und es ihm jetzt nur durch Verbrechen sich noch zu erhalten möglich machte. - Es kann wohl Leute geben, die, wenn sie solches hören, sagen werden: der will diesen Mörder entschuldigen! Erinnere ich mich doch, in meiner Jugend einen Bürgermeister klagen gehört [zu haben], daß es die Bücherschreiber zu weit treiben und Christentum und Rechtschaffenheit ganz auszurotten suchen; es habe einer eine Verteidigung des Selbstmordes geschrieben; schrecklich, gar zu schrecklich! - Es ergab sich aus weiterer Nachfrage, daß Werthers Leiden verstanden waren.
Dies heißt abstrakt gedacht, in dem Mörder nichts als dies Abstrakte, daß er ein Mörder ist, zu sehen und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm [zu] vertilgen. Ganz anders eine feine, empfindsame Leipziger Welt. Sie bestreute und beband das Rad und den Verbrecher, der darauf geflochten war, mit Blumenkränzen. - Dies ist aber wieder die entgegengesetzte Abstraktion. Die Christen mögen wohl Rosenkreuzerei oder vielmehr Kreuzroserei treiben, das Kreuz mit Rosen umwinden. Das Kreuz ist der längst geheiligte Galgen und Rad. Es hat seine einseitige Bedeutung, das Werkzeug entehrender Strafe zu sein, verloren und kennt im Gegenteil die Vorstellung des höchsten Schmerzes und der tiefsten Verwerfung, zusammen mit der freudigsten Wonne und göttlicher Ehre. Hingegen das Leipziger [Kreuz], mit Veilchen und Klatschrosen eingebunden, ist eine Kotzebuesche Versöhnung, eine Art liederlicher Verträglichkeit der Empfindsamkeit mit dem Schlechten.
Ganz anders hörte ich einst eine gemeine alte Frau, ein Spitalweib, die Abstraktion des Mörders töten und ihn zur Ehre lebendig machen. Das abgeschlagene Haupt war aufs Schaffot gelegt, und es war Sonnenschein; wie doch so schön, sagte sie, Gottes Gnadensonne Binders Haupt beglänzt! - Du bist nicht wert, daß dich die Sonne bescheint, sagt man zu einem Wicht, über den man sich erzürnt. Jene Frau sah, daß der Mörderkopf von der Sonne beschienen wurde und es also auch noch wert war. Sie erhob ihn von der Strafe des Schaffots in die Sonnengnade Gottes, brachte nicht durch ihre Veilchen und ihre empfindsame Eitelkeit die Versöhnung zustande, sondern sah in der höheren Sonne ihn zu Gnaden aufgenommen.
Alte, ihre Eier sind faul, sagt die Einkäuferin zur Hökersfrau. Was, entgegnet diese, meine Eier faul? Sie mag mir faul sein! Sie soll mir das von meinen Eiern sagen? Sie? Haben ihren Vater nicht die Läuse an der Landstraße aufgefressen, ist nicht ihre Mutter mit den Franzosen fortgelaufen und ihre Großmutter im Spital gestorben, - schaff sie sich für ihr Flitterhalstuch ein ganzes Hemd an; man weiß wohl, wo sie dies Halstuch und ihre Mützen her hat; wenn die Offiziere nicht wären, wär jetzt manche nicht so geputzt, und wenn die gnädigen Frauen mehr auf ihre Haushaltung sähen, säße manche im Stockhause, - flick sie sich nur die Löcher in den Strümpfen! - Kurz, sie läßt keinen guten Faden an ihr. Sie denkt abstrakt und subsumiert sie nach Halstuch, Mütze, Hemd usf. wie nach den Fingern und anderen Partien, auch nach [dem] Vater und der ganzen Sippschaft, ganz allein unter das Verbrechen, daß sie die Eier faul gefunden hat; alles an ihr ist durch und durch mit diesen faulen Eiern gefärbt, dahingegen jene Offiziere, von denen die Hökersfrau sprach - wenn anders, wie sehr zu zweifeln, etwas daran ist -, ganz andere Dinge an ihr zu sehen bekommen mögen.
Um von der Magd auf den Bedienten zu kommen, so ist kein Bedienter schlechter daran als bei einem Manne von wenigem Stande und wenigem Einkommen, und um so besser daran, je vornehmer sein Herr ist. Der gemeine Mensch denkt wieder abstrakter, er tut vornehm gegen den Bedienten und verhält sich zu diesem nur als zu einem Bedienten; an diesem einen Prädikate hält er fest. Am besten befindet sich der Bediente bei den Franzosen. Der vornehme Mann ist familiär mit dem Bedienten, der Franzose sogar gut Freund mit ihm; dieser führt, wenn sie allein sind, das große Wort, man sehe Diderots Jacques et son maître, der Herr tut nichts als Prisen-Tabak nehmen und nach der Uhr sehen und läßt den Bedienten in allem Übrigen gewähren. Der vornehme Mann weiß, daß der Bediente nicht nur Bedienter ist, sondern auch die Stadtneuigkeiten weiß, die Mädchen kennt, gute Anschläge im Kopfe hat; er fragt ihn darüber, und der Bediente darf sagen, was er über das weiß, worüber der Prinzipal frug. Beim französischen Herrn darf der Bediente nicht nur dies, sondern auch die Materie aufs Tapet bringen, seine Meinung haben und behaupten, und wenn der Herr etwas will, so geht es nicht mit Befehl, sondern er muß dem Bedienten zuerst seine Meinung einräsonieren und ihm ein gutes Wort darumgeben, daß seine Meinung die Oberhand behält.
Im Militär kommt derselbe Unterschied vor; beimpreußischen kann der Soldat geprügelt werden, er ist also eine Kanaille; denn was geprügelt zu werden das passive Recht hat, ist eine Kanaille. So gilt der gemeine Soldat demOffizier für dies Abstraktum eines prügelbaren Subjekts, mit dem ein Herr, der Uniform und Porte d'épée hat, sich abgeben muß, und das ist, um sich demTeufel zu ergeben.

1) Manuskript: Hegelnachlaß Stiftung preußischer Kulturbesitz. Erstdruck:
Werke Bd. XVII, 1835
2) Morgenblatt für gebildete Stände, erschien ab 1. 1. 1807; am 2. 1.
1807 wurde ein Preis für eine Satire ausgeschrieben, Einsendeschluß
1. 7. 1807.

Montag, 21. Januar 2008

Notwehr gegen Nokia: Atombewaffnung jetzt!

Liebe Bürgerinnen und Bürger Deutschlands! Ich als Mitglied der capverdischen Exilregierung kann eure Sorgen gut nachvollziehen. Auch ich bin, in gewissem Sinne, Opfer der Verlagerung meines Arbeitsplatzes ins Ausland, nur dass ich eben gleich mitverlagert wurde, als die imperialistischen Nationen in meiner geliebten Heimat ein menschenverachtendes Marionettenregime einsetzten. Und daher sage ich euch: Wehret den Anfängen, denn auch in Deutschland kann es so weit kommen! Es braucht Mut, um die Wahrheit zu sagen, gerade auch in diesem Land, aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: Die Nationen dieser Welt werden sich nicht ewig von der finnoungarischen Lobby knechten lassen! Widerstand regt sich, nun auch in Deutschland. Denn es kann nicht sein, dass ein Unternehmen sich verhält, als wäre sein einziger Zweck Profitmaximierung! Man bedenke doch: Auch der Aufstieg Hitlers begann wegen der Verlagerung von deutschen Arbeitsplätzen ins Ausland!

Wenn ein Unternehmen meint, rücksichtslos deutsche Subventionen abgreifen zu können, in der Manier blutsaugerischer Heuschrecken, und darüber hinaus meint, mit der formaljuristischen Einhaltung der damit verbundenen vertraglichen Pflichten sei seine Schuld am deutschen Volke abgegolten, dann kann ich diese ungeheure Verblendung nur dem von maßloser Gier getriebenen Amoralismus zuschreiben, der die finnoungarische "Kultur" seit jeher unrühmlich auszeichnet. Es gibt in diesem Land auch so etwas wie soziale Faantwotong! Wir werden nicht zulassen, dass die Finnen, gemeinsam mit ihren schwedischen Bütteln, die, es ist ein offenes Geheimnis, mit halbseidenen Methoden die Kontrolle über deutsche Atommeiler ergaunert haben, um das deutsche Volk durch einen fahrlässig herbeigeführten Supergau zu dezimieren und zu demoralisieren - wir werden, sage ich, nicht zulassen, dass unter finnoungarischer Regie agierende skandinavische Möbelmogule dem Kern der Volksseele, der deutschen Gemütlichkeit, durch rücksichtlosen Wohnkulturimperialismus den Todesstoß versetzen!

Es ist die Zeit gekommen, in der Deutschland der objektiven Notwendigkeit von Selbstverteidigungsmaßnahmen ins Gesicht blicken muss! Wie einst schon der amerikanische Präsident Woodrow Wilson erkannte, ist bewaffnete Neutralität nicht mehr wirkungsvoll genug. Vielmehr bedarf es nun ATOMbewaffneter Notwehrpolitik! Hier meine Vorschläge:

(1) Eine DDR-sozialisierte Physikerin an der Spitze der Regierung kann Deutschland sich nicht länger leisten. Sie ist die Fremdbestimmung durch einen ausländischen Hegemon gewohnt und erkennt daher nicht, was die Stunde geschlagen hat. Sie muss durch einen verantwortungsbewussten Mann der Tat ersetzt werden! Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem Hessen?

(2) Dringend notwendig für die deutsche Selbstbehauptung im globalen Wettbewerb ist, wie gesagt, die umfassende und zeitnah in Angriff zu nehmende Atombewaffnung der Bundeswehr, wenn nötig auch der Bundespolizei, der Geheimdienste und des Zolls. Dies gebietet auch die internationale Verantwortung, die Deutschland nun einmal trägt und die es wahrzunehmen hat. Anders wird das Land der Dichter und Denker, diese große mitteleuropäische Nation, in der Achse Paris-Berlin-Moskau nicht Augenhöhe wahren können! Allerdings kontrolliert die finnoungarische Lobby die NATO, weshalb den Deutschen nichts anderes übrigbleiben wird, als in enger Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran eine eigene Bombe zu bauen.

(3) Auf unbotmäßige osteuropäische Staaten, die sich von finnoungarischen Hehlern aus Deutschland entwendete Arbeitsplätze erschachern, sollte, wenn alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft sind, auch zurückgeschossen werden. Außerdem erweist es sich zunehmend als strategischer Fehler, die Besetzung von Dänemark und Norwegen vorzeitig beendet zu haben.

(4) Falls sie fortfährt, die Völker Europas zu knechten, muss die finnoungarische Rasse eben aus Europa entfernt werden. Man könnte sie umsiedeln, zum Beispiel nach Madagaskar oder auf den Mars.

"Willkommen im Club Nokia"? Sicher, aber nur um den Preis einer umfassenden Verfinnoungarüdelung der Seele. Mit viertelnackten, horizontalen und farblich nicht auf ihre Unterlage abgestimmten Frauen versucht Nokia irgendetwas Hinterhältiges. Wir werden uns davon nicht einwickeln lassen!
"Nokia - Connecting People", unter diesem Slogan verbirgt sich nur schlecht eine kolonialistische Doktrin: das deutsche Wirtsvolk wird als zu verbindende Masse angesehen, die bis zur Ankunft der finnoungarischen "Zivilisation" über eigene Formen der Kommunikation angeblich nicht verfügte. Dabei beruht das Ideologem der tabula rasa, wie stets, auf der Unfähigkeit, die autochthone Kultur in ihrer Eigentümlichkeit anzuerkennen. Daher sind Selbstmordanschläge gegen finnoungarische Einrichtungen und Zivilisten nur zu verständlich.

Samstag, 19. Januar 2008

Ich gehe nicht gern tanzen (und offensichtlich bin ich der albernen Meinung, das sei von öffentlichem Interesse)

Ich möchte mich an dieser Stelle rechtfertigen. Denn immer wieder (was nicht heißen soll, dass es oft wäre) stoße ich insbesondere bei meinen Freundinnen (was nicht heißen soll, dass ich viele hätte) auf - wenn auch verhaltenes - Unverständnis über meiner Abneigung gegen das Tanzengehen.
"Aber Du weißt doch", so musste ich mir neulich vorhalten lassen, "dass Nietzsche gesagt hat, er könnte nur an einen tanzenden Gott glauben." (Denn natürlich schätze ich ihn, den großen Vordenker des Übermenschentums in seiner individualistischen und philosemitischen Spielart, den Mann, der nur deshalb einen so grotesken Schnauzbart trug, um diese behaarungspolitische Todsünde durch die bewusst überzeichnete Katastrophalität seines Beispiels ein für allemal zu diskreditieren, auf dass wir nie wieder Schnauzbärte sehen müssten - eine äußerst noble Form der Martyriums, zu der nur besonders feine Seelen fähig sind, ungeachtet der Tatsache, dass der kluge Plan - noch - nicht aufging.)
"Das ist schon richtig", sagte ich (natürlich nicht, weil es mir erst später einfallen ist, dass dies die einzig richtige Antwort ist), "das ist schon richtig, aber Nietzsche sagte auch: Wäret ihr Götter, so würdet ihr euch eurer Kleider schämen."
Das will natürlich nicht bedeuten, dass man zwingend nackt zu tanzen habe; obwohl man beim Tanzen durchaus viel häufiger nackt sein sollte, als dies in unserer noch immer total verklemmten Kultur üblich ist. Es will vielmehr besagen, dass es mit dem Tanzen etwas auf sich hat; es liegt etwas Göttliches im Tanzen (wenn ich als eingefleischte Atheistin mal so reden darf), aber wo kann mensch schon göttlich sein, in dieser tristen Welt? Vielleicht allein im Wohnzimmer, aber jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, wo man unvermeidlich von einer Mehrheit dummer und unangenehmer Menschen umgeben ist, mit denen man weder Bett noch Brot teilen möchte.
Bekannter als Nietzsches Worte sind unter Linken jene Emma Goldmans, die - falsch zitiert - sagte: If I can't dance, it's not my revolution. Ich würde eher sagen, dass ich erst da tanzen kann, wo die Revolution schon stattgefunden hat.
Oder, um es zum Ende doch noch auf meine eigenen Worte zu bringen: Ich möchte nicht in der Öffentlichkeit tanzen, aus demselben Grund, aus dem manche Menschen in der Öffentlichkeit keinen Sex haben wollen - es ist mir zu intim, und außerdem sehe ich bestimmt dämlich dabei aus.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Wir begrüßen ausdrücklich...

... diese Initiative für mehr Ehrlichkeit im Bäckereigewerbe des "Wiener Feinbäckers". Konsequenterweise sollte er sich dann aber vielleicht auch in "Berliner Pappbäcker" umbenennen und seinen "Kaffee" in Plörre. Dann wäre ich sehr zufrieden und würde auch sehr gerne regelmäßig "Einmal Fettgebäck mit Plörre bitte" kaufen. Echt.