Dienstag, 20. Mai 2008

Unheimliche Begegnung in der U-Bahn

Manchmal muss man sich schon sehr wundern, mit was für Leuten man ahnungslos in der U-Bahn sitzt. Man hielte es ja nicht für möglich, welch Abgründe sich in den Menschen verbergen, mit denen man tagtäglich die Verkehrsmittel teilt.

Der unscheinbare Mann neben mit hält einen e-mail-Ausdruck in den Händen und sucht etwas auf seinem Stadtplan. Auf dem Ausdruck ist zu lesen (ich weiß, das ist eigentlich unhöflich, fremder Leute Privatkorrespondenz mitzulesen, aber dann sollen sie mit der eben nicht neben mir in der U-Bahn rumwedeln):

"Hallo ihr Lieben,
wir haben gestern beschlossen, die Kundgebung des Dalai Lama mit unserer positiven Lach-Energie zu unterstützen ..."

Der etwas zerknautscht und ziemlich dröge aussehende Mann neben mir, er mag Ende 30 sein - ein fanatischer Lacher? Einer, der sich irgendwo hinstellt und dann einfach so lauthals zu lachen beginnt, womöglich minuten- oder gar stundenlang, wer weiß, um seine Umgebung mit "positiver Lach-Energie" zu überschütten?? Einer der in seiner Freizeit Lach-Workshops besucht? Oder jeden Morgen vor dem Spiegel Lach-Übungen macht, zur Entspannung der Gesichtsmuskulatur und für einen "positiven Start in den Tag"? Er sieht gar nicht fröhlich aus, eher ein bisschen apathisch und - man muss es sagen - dämlich. Aber womöglich muss man gar nicht fröhlich sein, um ein professioneller Lacher zu sein, vielleicht hat diese Lachenergie mit Fröhlichkeit überhaupt nichts zu tun? Gespenstisch. Da hatte man geglaubt, solche Leute müsste man an ihren hennagefärbten Haaren oder ihrer legeren Leinenkleidung erkennen, aber dieser Mann da, den man für einen Klempner oder Berufsbekleidungsfachgeschäftsverkäufer hätte halten können... - hoffentlich fängt er nicht jetzt hier in der U-Bahn an zu lachen, ich steig lieber mal schnell aus...

Samstag, 17. Mai 2008

Früchte der Moralphilosophie

"Happiness, I suggest, is the positive feeling we experience on account of our horizontally and vertically nonfragmentary perception or judgment of our actual life as going the way the descriptive aspect of our conception of a good life for us specifies."
(Kurt Baier: The Rational and the Moral Order. The Social Roots of Reason and Morality, Chicago and La Salle, Illinois: Open Court 1995, S. 147.)

Mittwoch, 14. Mai 2008

Bitte gehen sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.

Aus Mangel an sonstigen Ideen lasse ich euch mal an den Highlights meiner Schopenhauer-Lektüre teilhaben. Auch wenn das jetzt keine so großartigen Neuigkeiten sind, weil das bestimmt die meisten so ungefähr kennen - dennoch interessant, wo nicht albern oder sogar blöd, es im Originalwortlaut zu lesen:

Zuerst: gegen Hegel (das ist natürlich bei weitem nicht die einzige Stelle, aber dafür eine mit einem schönen Fremdwort):
"Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baaren Unsinns, im Zusammenschmieren sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der Nachwelt fabelhaft erscheinen und ein Denkmal Deutscher Niaiserie bleiben wird." (Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, Anhang, S.548.)

Das schöne Fremdwort bedeutet laut Duden übrigens dies:
Ni|ai|se|rie ‹lat.-vulgärlat.-fr.› die; -, ...ien: (veraltet) Albernheit, Dummheit, Einfältigkeit

Schopenhauers Begründung, warum das Judentum ein ungeeigneter Gegenstand der Kunst ist:

"Entschieden nachtheilig wirken historische Vorwürfe nur dann, wann sie den Maler auf ein willkürlich und nicht nach Kunstzwecken, sondern nach anderen gewähltes Feld beschränken, vollends aber wann dieses Feld an malerischen und bedeutenden Gegenständen arm ist, wenn es z.B. die Geschichte eines kleinen, abgesonderten, eigensinnigen, hierarchisch d.h. durch Wahn beherrschten, von den gleichzeitigen großen Völkern des Orients und Occidents verachteten Winkelvolks ist, wie die Juden." (Ibid., §48, S. 309 f.)

Schopenhauer plaidiert für den Beinahe-Nudismus (für "sehr schöne" Menschen):

"Nämlich, wie die schöne Körperform bei der leichtesten, oder bei gar keiner Bekleidung am vortheilhaftesten sichtbar ist, und daher ein sehr schöner Mensch, wenn er zugleich Geschmack hätte und auch demselben folgen dürfte, am liebsten beinahe nackt, nur nach Weise der Antiken bekleidet, gehen würde; - ebenso nun wird jeder schöne gedankenreiche Geist sich immer auf die natürlichste, unumwundenste, einfachste Weise ausdrücken, bestrebt, wenn es irgend möglich ist, seine Gedanken Andern mitzutheilen, um dadurch die Einsamkeit, die er in einer Welt wie diese empfinden muß, sich zu erleichtern [...]" (Ibid., §47, S. 306.)

- Was meint er überhaupt mit "nach Weise der Antiken"? Togen? Und das soll unter "beinahe nackt" fallen? - Da hat der Nudismus doch gewisse Forschritte gemacht seit Schopenhauer.

Und zuletzt, warum der Mensch eine opportunistische und verlogene Decksau ist und Bescheidenheit eine blöde Tugend:

"Zwar lassen auch die Plattesten die anerkannt großen Werke auf Autorität gelten, um nämlich ihre eigene Schwäche nicht zu verrathen: doch bleiben sie im Stillen stets bereit, ihr Verdammungsurtheil darüber auszusprechen, sobald man sie hoffen läßt, daß sie es können, ohne sich bloß zu stellen, wo dann ihr lang verhaltener Haß gegen alles Große und Schöne, das sie nie ansprach und eben dadurch demüthigte, und gegen die Urheber desselben, sich freudig Luft macht. Denn überhaupt um fremden Werth willig und frei anzuerkennen und gelten zu lassen, muß man eigenen haben. Hierauf gründet sich die Nothwendigkeit der Bescheidenheit bei allem Verdienst, wie auch der unverhältnißmäßig laute Ruhm dieser Tugend, welche allein, aus allen ihren Schwestern, von Jedem der es wagt einen irgendwie ausgezeichneten Mann zu preisen, jedenmal seinem Lobe angehängt wird, um zu versöhnen und den Zorn der Werthlosigkeit zu stillen. Was ist denn die Bescheidenheit Anderes, als geheuchelte Demuth, mittelst welcher man, in einer von niederträchtigem Neide strotzenden Welt, für Vorzüge und Verdienste die Verzeihung Derer erbetteln will, die keine haben? Denn wer sich keine anmaaßt, weil er wirklich keine hat, ist nicht bescheiden, sondern nur ehrlich." (Ibid., §49, S. 312 f.)

(Zitiert nach: Artur Schopenhauers Werke in fünf Bänden. Nach den Ausgaben letzter Hand, hrsg. von Ludger Lütkehaus,
Zürich: Haffmanns 1988)

Donnerstag, 1. Mai 2008

Am 2. Mai aufstehen für die Faulheit




Nachtrag: Aus eigener Anschauung (und Teilnahme) kann ich berichten, dass die Demonstration ein voller Erfolg war! Der Veranstalter konnte noch während der "machtvollen Manifestation" von demonstrierenden Millionen in Tokio und Potsdam berichten. Die engagierten Demonstranten in Berlin skandierten tolle Slogans wie: "Mein Freund ist Roboter!", "Wir sind nicht alle, es fehlen die, die arbeiten!" oder "Wir haben Zeit!". Ein erfolgreicher 4. internationaler Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen!

P.S. Noch viel schönere Photos gibt es hier.