Montag, 29. Januar 2007

Die letzten Tage im Puff

Und weiter geht's mit meinem Monolog...

Kaum habe ich mir Osttimor als das Land erfuellter monogamer Liebe zurechtgelegt, schon treffe ich in einer Bar auf einen aelteren schwulen Neuseelaender, der mir nach dem fuenften Bier verraet, Osttimor sei ein einziger Puff. Die Timoresen seien alle bisexuell. Und sehr naughty. Ueberall, in jedem Dorf, finde man jemanden, einen Jungen, ein Maedchen. Fuer die Timoresen sei Sex so natuerlich wie Essen und Trinken. Sie machen sich keine Sorgen. Und haben immer Kondome dabei. Und stehlen nicht. Denn hier gilt ein Ehrencode, anders als bei den Indonesiern, die sich morgens mit dem Portemonnaie davonmachen. Und die Vaeter finden alles in Ordnung, die Familie behandelt einen wie einen Koenig. Wenn der Junge frech ist, gib ihm ein paar Ohrfeigen, empfiehlt der Vater. Ja, natuerlich hilft es, wenn man weiss ist und Dollars hat. Aber die Timoresen sind auch sonst naughty. Sie haben etwas, was wir verloren haben. Was sie brauchen, ist eine Vaterfigur. Jemand, der ihnen Disziplin beibringt, der sie davon abhaelt sich gegenseitig umzubringen. Die Indonesier haben das gekonnt. Anders als die Australier, die hier nur rumlaufen, zukucken und Kaffee trinken. Ja, 200.000 Menschen umzubringen, das haetten sie nicht tun sollen. Aber es geht halt auch um einen schwierigen Balanceakt.

So ging das dann weiter, ganz im Houellebecqschen Stil. Der ausbeuterische Aspekt wurde in einem Manoeuver, fuer das es im psychoanalytischen Jargon garantiert einen Fachausdruck gibt, auf die portugiesischen GNR uebertragen. Weiss du, was die GNR hier machen? Die scheren sich doch einen Dreck um Osttimor. Ja, wenn es Probleme gibt greifen sie ein. Aber dann heisst es, jetzt beugt euch alle vornueber. So viele Timoresen wurden von denen vergewaltigt. Oh yeah, they love the young boys.

Die meisten Bars hier, wenn man von den Strandcafes absieht, sind uebrigens auch Karaokebars und Puffs. Die meisten Prostituierten kommen allerdings aus China.

Das Treffen mit Reinado ist noch nicht zustande gekommen, und die Zeit wird knapp. Ich freue mich bereits auf Melbourne. So langsam fuehle ich mich exzentrisch, im wortwoertlichen Sinn. Vom Zentrum abgerutscht. Ich brauche ein wenig Ruhe, um mein Weltbild neu zu kallibrieren. Eine Sisyphusarbeit, die unendliche Reise zum Mittelpunkt der Welt. Ich denke, wenn ich etwas hier gelernt habe (ja, ich bin noch immer so naiv, dass ich reise, um zu lernen, so wie die junge Englaenderin in Forsters Passage to India), dann wie natuerlich es sich anfuehlen kann, fremde Leute anzusprechen. Meine Zeit als autistischer Jugendlicher ist zwar schon laenger vorbei, aber trotzdem stehen viele kleine Barrieren im Weg, hoch genug damit ich mich frage, was soll es schon bringen?, und dann bleibe ich doch lieber bei mir. In Melbourne wird mir kein interessanter Mensch mehr entkommen. Aber jetzt unterschaetze ich meine innere Traegheit.

Ich sollte noch ein paar Fotos machen, aber es faellt mir sehr schwer, Menschen zu fotographieren, es sei denn ich kenne sie ein wenig und frage sie um Erlaubnis. Leider kriege ich auf diese Weise nicht die Bilder, die ich gerne haette.

Ein paar Treffen und Gespraeche stehen noch an. Und das war's dann.

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