Waehrend wir immer noch auf den Monsoon warten, nimmt ein anderes fuer diese Gegend typisches Naturphaenomen seinen Lauf: Durchfall seit gestern. Kommt nicht ueberraschend, und ich bin dagegen geruestet. Falls meine Tabletten nicht ausreichen, sollte es nicht schwierig sein, in einer Stadt mit der groessten Dichte weltweit an chronisch magenkranken westlichen NGOlern zusaetzliche Medikamente aufzutreiben.
Problematischer ist der Schlafmangel. Einfach zu heiss. Und ab acht sollte man besser zuhause sein, es sei denn, man hat einen Freund, der einen vor der Tuer absetzen kann. Also hocke ich rum, wie gestern, ab acht und gehe im Hof herum wie in einer Gefaengniszelle. Zu muede, um irgendetwas zu tun, ausser ein Bier zu trinken, nicht muede genug, um mich hinzulegen. Vor allem nach einem aufregenden Abend wie gestern. Um die Story loszuwerden, wartete ich auf die Kanadier, die erst spaet zurueckkamen. Zu Fuss. So lange man auf der Strasse bleibt, die geradlinig vom Stadtzentrum nach Sueden zum Guesthouse fuehrt ist man recht sicher. Suedlich und vor allem in den Seitenstrassen wird's kritisch. Vielleicht kann ich demnaechst einen Google Earth Ausschnitt reinstellen.
Ja, die Story.
Gestern abend holte Miad mich ab. Dann ging's ueber Dilis schlagloechrige Strassen, ich hinten auf dem Motorrad. Waere ich nicht in Dili, waere das bereits mein Kick des Tages. Wir fuhren zum Castaways Cafes, einem Lokal voller UN-Leute, wo etwa ein timoresischer Elitepolizist mit einem iranischen Englischlehrer gegen einen Polizisten aus Rumaenien (kleines Kontingent von 10 Mann) und einen UN-Typen aus Sri-Lanka Pool spielen. Es ist mir ein Raetsel, wie die Sicherheitsleute sich koordinieren. Muss schrecklich ineffizient sein, wie diese ganze UN-Geschichte. Aber dazu ein andermal.
Miad erzaehlt mir von einem australischen Journalisten, der einen Tag zuvor von einem Pfeil getroffen wurde, zum Glueck nur ins Bein. Seine Freunde brachten ihn ins Militaerkrankenhaus, das eigentlich den Soldaten vorbehalten ist. Weil der Pfeil einen gemeinen Widerhaken hatte, musste sein Bein aufgeschnitten werden. Miad hat mir ein paar Bilder gezeigt. Der Pfeil wurde sehr schoen mit Papierbaendchen dekoriert. Da hat sich jemand muehe gegeben.
Wie's scheint, hat niemand auf den Journalisten gezielt. Wie's scheint, kann man mit diesen Pfeilen gar nicht zielen. Das beruhigt einerseits (naja, mich jedenfalls), weil es bedeutet, dass hier niemand auf die Idee gekommen ist, zur Abwechslung mal auf einen Weissen zu schiessen, andererseits heisst es, dass es einfach jeden treffen kann. Und nicht nur ins Bein.
Es kommt nur jedes Jahr einmal vor, dass ein Westler verwundet wird, also bin ich jetzt in Sicherheit. So kann man's auch sehen.
Wir haben dann noch ueber die ganze UN-Sache diskutiert. Damit will ich euch nicht langweilen. Hier geht's um Sensationsjournalismus. Schliesslich habe ich ihn gefragt: By the way, do you know Christopher Suttenfield? Ich sollte mich heute mit ihm treffen. Miad kuckt mich an: Das ist der Typ, der den Pfeil abbekommen hat. Verrueckt. Besuche scheinen im Militaerhospital uebrigens nicht gestattet.
Dann habe ich Chris Carrascalao kennengelernt, Tochter von Manuel Carrascalao, einer der Hauptfiguren im Unanbhaengigkeitskampf und vor allem bei den Massakern um das Referendum herum, 1999. Sehr interessantes Gespraech. Ich habe mich fuenf Minuten lang fuer meine unsensiblen Fragen entschuldigt. Sie will nicht mehr an diese Zeit erinnert werden. Sie kommt vor in Martinkus' A Dirty Little War, neben den Buechern von James Dunn und Clinton Fernandes Pflichtlektuere fuer jeden, der wissen will, was 1999 los war.
Ich habe die Geschichte von der vermeintlichen Schlepperbande erwaehnt, und alle Anwesendenheit nehmen die Sache sehr persoenlich. Dass Auslaender im Gefaengnis kein Essen kriegen, sei bullshit. Ein Nigerianer namens Dexter sitzt im Knast. Er hat in IDP-Camps nach jungen Frauen gefragt, die als Kindermaedchen in Syrien arbeiten wollen. Ein Arzt hat sich gewundert, dass die Maedchen HIV-Tests machen mussten (und auch Ganzkoerperfotos), und hat Alarm geschlagen. Zurzeit versuchen die Ermittler, eine Verbindung zwischen Dexter und dem libanesischen Businessman herzustellen, der vermutlich mit dem boyfriend meiner Zimmernachbarin identisch ist, obwohl die Leute nichts davon wussten, dass der Libanese im Knast sitzt. Die Kambodschanerin hat mich heute beim Fruehstueck ziemlich direkt gefragt, ob ich mit ihr nach Baucau fahren will, die zweitgroesste Stadt, oestlich von Dili, bevor sie nach Kambodscha zurueckfliegen muss. Keine Ahnung, was sie weiss und wie sie zu dem Typen steht.
Aber das Seltsamste. Haltet euch fest. Ich habe im Cafe mit einem Iren gesprochen, der als UN-subcontracter IT-Kram erledigt. Er hat irgendwann ein paar Tage in Luxemburg verbracht und zwei Maedchen kennengelernt. Ich meinte halbernst, vielleicht kenne ich sie ja. Und eine davon ist Daisy, meine beste Freundin in Luxemburg. Die einzige Person, die sich an Weihnachten bei meine Eltern erkundigt hat, ob ich im Land bin.
(Wenn ich wieder in Melbourne bin, kommt hier ein Foto mit Daisy hin.)
Hier sitze ich mit bunt zusammengewuerfelten Abenteurern aus allen moeglichen Laendern in dieser verrueckten Stadt, in staendigem Ausnahmezustand, und Cormac kennt Daisy. Und ich erzaehle, wie Daisy und ich an Flussufern sitzen, Gitarre spielen, Joints rauchen. Wie soll man so was verstehen?
Ok. Heute bin ich stehend KO. Aber meine ersten beiden Interviews stehen an, und ich wollte auch nur zur portugiesischen Botschaft gehen.
Ich hoffe, in ein paar Wochen kann ich was anderes schreiben. Eine vergleichende Studie zu den Frauenfiguren in Sofia Coppolas Filmen. Bemerkungen zum Rationalitaetsbegriff bei Brandom.
Montag, 15. Januar 2007
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